Reform der Betriebsverfassung
Eure Antworten: So muss Mitbestimmung besser werden!

Transformation, Globalisierung, Digitalisierung: Betriebsräte stehen vor großen Aufgaben. Die IG Metall macht mit ihrer „Initiative Mitbestimmung“ Druck für mehr Rechte. Die DGB-Gewerkschaften arbeiten an einer Reform des Betriebsverfassungsgesetzes. Wir haben Euch gefragt: Was muss besser werden?

22. März 202322. 3. 2023


In unserem Newsletter, den Metall-News, haben wir Euch vor zwei Wochen gefragt:

„Seid Ihr schon mal an die Grenzen Eurer Mitbestimmung gestoßen? Wo? Und was muss sich konkret rechtlich verbessern?“

Über 1000 Leserinnen und Leser des Newsletters beteiligten sich an unserer Umfrage und 90 Prozent haben geantwortet:

„Ja, wir sind schon an Grenzen gestoßen und brauchen mehr Mitbestimmungsrechte.“

Viele haben uns dazu auch Mails geschrieben.
 

Umstrukturierungen und Zukunftsausrichtung

Ein Top-Thema sind Mitbestimmungsrechte bei Umstrukturierungen, Verlagerungen und Fremdvergaben – und bei der strategischen Zukunftsausrichtung. Betriebsräte fühlen sich dort der Willkür der Unternehmer- und der Kapitalseite ausgeliefert.

  •  „Bei Themen wie Investitionen oder Zielen der Planung stoßen wir oft auf nichts sagende Erklärungen“.

Ein wesentlicher Knackpunkt ist aus Sicht vieler Betriebsräte die Möglichkeit, bei Betriebsänderung einen Interessenausgleich erzwingen zu können.

Viele Vorschläge zielen auch deutlich über das Betriebsverfassungsgesetz hinaus auf die Erweiterung der Unternehmensmitbestimmung.

  • „Erweiterte Mitbestimmung bei Standortschließungen, -verlagerungen und -gründungen, Massenentlassungen sowie Übernahme durch (ausländische) Konzerne in Anlehnung an das VW-Gesetz. Das heißt im Aufsichtsrat müssten solche Beschlüsse mit Zweidrittelmehrheit abgesegnet werden.“
  • „Bei Fremdvergaben und Teilverlagerungen greift leider nur selten der Paragraf 613a BGB, obwohl dessen Schutzbestimmungen auf alle Fremdvergaben, Ausgliederungen oder Teilverlagerungen übertragen werden sollten.“
  • „Meine bitterste Erfahrung in Sachen (fehlender) Mitbestimmung waren mehrere Sozialplanverhandlungen, die ich als Gesamtbetriebsratsvorsitzender führen musste. Dabei ging es der Firma ausschließlich um Kostenreduzierung durch Personalabbau, ohne Konzept und Plan, aber ausgestattet mit der Macht des Kapitals. Wir hatten gute Argumente und Konzepte, die die Beschäftigten mitgestaltet hatten, und wir hatten die Unterstützung der Belegschaft an allen betroffenen Standorten. Aber wir hatten keine rechtlichen Durchsetzungsmöglichkeiten. ‘Hätten wir die Mitbestimmung, wär das nicht passiert’ wie es in einem Song von Peter, Paul & Barmbek hieß.“
     

Personalplanung und Qualifizierung

Ein weiterer Knackpunkt ist die Personal- und Qualifizierungsplanung

  • „Tatsächlich ist es so, dass du als Betriebsrat bei der Personalplanung ganz schön ins Leere laufen kannst. Ein Mitbestimmungsrecht ist hier längst überfällig.“

Selbst in großen, stark mitbestimmten Unternehmen können Betriebsräte nicht verhindern, dass Beschäftigte wegrationalisiert und die Leistung verdichtet wird.
 

Flexible Unternehmensorganisation

Ein großes Problem sind die zunehmend flexibleren, zergliederten und globaleren Unternehmensstrukturen, die Mitbestimmung deutlich erschweren und aushebeln.

  • „Wir sind in einem amerikanischen Konzern, der Hardcore-Kapitalismus betreibt. Matrixstruktur, Polyvalenz, schleichender Personalabbau trotz Beschäftigungssicherung im Ergänzungstarifvertrag.“
  • „In der heutigen Zeit bestehen Firmen meist aus Firmen-Gruppen. Wir haben drei Divisionen bei uns am Standort, die einzige mit BR sind wir. Die Konstellation beeinträchtigt unsere Mitwirkung.“
  • „Der Arbeitnehmerbegriff sollte auf Leih/Zeitarbeiter, Clickworker und scheinselbständige Dienstleister erweitert werden.“

Einige Betriebsräte sehen auch dringenden Bedarf von Neuformulierungen und Konkretisierungen, um elementare Mitbestimmungsrechte auch in „modernen“ Unternehmen zu sichern, etwa zur Kontrolle der Arbeitszeit und des Arbeits- und Gesundheitsschutzes.
 

Digitalisierung 

Eine Reihe von Mails bezogen sich auch auf die zunehmende Digitalisierung. Betriebsräte und Gewerkschaften brauchen modernisierte digitale Zugangsrechte.

Viele Betriebsräte fordern, dass die für die Corona-Zeit eingeführten Möglichkeiten zur Online-Betriebsversammlung dauerhaft verlängert werden und auch digitale Betriebsratswahlen ermöglicht werden.

Einige Betriebsräte fordern mehr Mitbestimmung bei Einführung neuer digitaler Tools und die Gestaltung von „New Work“ Arbeitsplätzen. 

  • „Im Unternehmen gibt es eine große Softwareumstellung. Dabei verändern sich auch die Prozesse und Arbeitsmethoden. Leider konnten wir keinen Interessensausgleich durchsetzen, weil dieser alte Paragraph 111 des Betriebsverfassungsgesetzes solche Themen nicht beinhaltet.“
     

Betriebsratsvergütung

Das Urteil des Bundesgerichtshofs zur Vergütung von Betriebsräten bei VW erfordert aus Sicht der Betriebsräte eine dringende Reform im Betriebsverfassungsgesetz, weil ansonsten Betriebsräte benachteiligt werden.

  • „Seit dem VW-Urteil (aber auch schon davor) schaut der Arbeitgeber nur auf das Bevorzugungsverbot und umgeht aber voll das Benachteiligungsverbot. Sprich: Betriebsräte benachteiligen wo es nur geht. Manchmal frage ich mich, warum ich das alles hier tue. Meine Entgeltstufe ist seit 2010 die gleiche, während meine Kollegen von damals alle finanziell Karriere machen.“
     

Freistellung von Betriebsräten – und danach

Ein Problem sehen einige Betriebsräte bei Teilfreistellungen von nicht-freigestellten Betriebsratsmitgliedern, die nicht in der Personalplanung berücksichtigt werden.

  • „Ich erlebe es an mir immer wieder, dass Kollegen klagen, dass sie meine Abwesenheit durch Mehrarbeit oder Arbeitsverdichtung kompensieren müssen. Das ist nicht fair und bringt mich in Gewissenskonflikte.“

Ein weiteres Problem ist: Was passiert mit Betriebsräten nach der Freistellung?

  • „Es gibt keine verpflichtenden Regularien für die Zeit nach der Freistellung. Betriebsräte die diesen Weg gehen müssen, werden hart mit der Realität konfrontiert. Alle erworbenen Fähigkeiten aus der Amtszeit sind innerhalb von Minuten bedeutungslos, wenn es zurück zum alten Arbeitsplatz geht.“
     

Diskutiert mit im Blog zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes

Die DGB-Gewerkschaften haben bereits einen Reformvorschlag entworfen. 
Diskutiert mit darüber im Blog der Zeitschrift „Arbeit und Recht“ aur-blog.eu 

Weitere Infos dazu hier im Aktivenportal

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