Cheyenne, seit vier Jahren bist du Vertrauenskörperleiterin. Damals warst du erst 26 Jahre alt. Wie ging das?
Cheyenne Todaro: Die Rahmenbedingungen waren zu Beginn nicht die einfachsten. Ich wurde mitten in der Pandemie als Vertrauenskörper-Leiterin gewählt. Außerdem hatten wir über Jahrzehnte immer nur Kerle als VK-Leiter, die im Schnitt 20 Jahre älter waren als ich - und dann komme ich, die erste Frau an der Spitze und dann noch erst Mitte 20, an und mache Ansagen: Auf los, wir gehen raus, du nimmst die Fahnen, du besetzt das Tor. Ich würde mich selbst als Anpackerin und wenn‘s sein muss, auch als Frau fürs Grobe bezeichnen, die zielgerichtet Lösungen erreicht, die zwar nicht immer elegant sind, aber die das beste Ergebnis für die Kolleginnen und Kollegen bringen. Das geht natürlich nur, weil ich weiß, dass die Leute bedingungslos hinter mir stehen. Das Vertrauen und Standing zu gewinnen, war mit viel harter Arbeit verknüpft.
Und warum du - und so jung?
Cheyenne: Ich war vorher schon Vorsitzende der Jugend- und Auszubildendenvertretung und mit 24 Jahren bereits im Betriebsrat. Und wir hatten damals einen großen Umbruch. Mein Vorgänger in der VK-Leitung Bruno Buschbacher wurde damals Betriebsratsvorsitzender.
Aber VK-Leitung für über 500 Vertrauensleute ist dann schon etwas anderes. Wie hast du in diese Aufgabe hineingefunden?
Cheyenne: Ich durfte mich schon bereits unter meinem Vorgänger komplett austoben, bei Blitzansprachen, bei Kampagnen. Er sagte einfach: Mach du mal. Ich bin da, wenn was schief gehen sollte. Ich habe die Vertrauensleute- und die Organisationswahlen in unserem Werk organisiert, Ansprachekonzepte und Material entwickelt, Schulungen konzipiert und durchgeführt, Präsentationen erstellt und Reden geschrieben. Bruno hat mir zu 100 Prozent vertraut und losgelassen, um mich auf das Amt vorzubereiten, damit ich mich auskenne und mir selbst mein Standing aufbauen konnte.
Aber du machst ja nicht alles allein. Wie läuft die Arbeit mit 50 Leuten im Vertrauenskörper und über 500 Vertrauensleuten?
[Anm.: Bei Daimler Truck & Busses gibt es drei Ebenen: Vertrauensleute, Vertrauenskörper, Vertrauenskörperleitung]
Cheyenne: Für mich geht das nur mit bedingungsloser Transparenz für alle und mit radikaler, breiter Beteiligung. Aber du brauchst auch eine Vision – einen Plan, mit dem du reingehst. Die Vertrauensleute müssen diese Vision erkennen und sich damit identifizieren können, damit wir den Plan mit ihrem Input weiterentwickeln können. Gerade haben wir uns mit dem Vertrauenskörper für drei Tage im Bildungszentrum Lohr eingesperrt und das ganze Jahr gemeinsam politisch durchgeplant. Alle durften sich beteiligen, mitreden und mitentscheiden.
Hast du denn schon als Betriebsrätin etwas Konkretes erreicht, gemeinsam mit anderen?
Cheyenne: Ja, in meinem Bereich, im Bus-Rohbau plante der Arbeitgeber vor zwei Jahren einen kompletten Kahlschlag, über 1500 Produktionsarbeitsplätze standen allein im Mannheimer Werk auf dem Spiel. Wir haben jedoch in einer Gesamtbetriebsvereinbarung erreicht, dass der Arbeitgeber 150 Millionen Euro in die Standorte Mannheim und Neu-Ulm investiert, dass es Insourcing und Qualifizierung statt einer gesamten Produktionsverlagerung ins Ausland gibt. Und betriebsbedingte Kündigungen sind ausgeschlossen - bis Ende 2033. Das ist aus meiner Sicht unsere größte Vereinbarung und Absicherung, seit Jahrzehnten. Und ich durfte sie als Betriebsrätin mitverhandeln.
Und das Unternehmen hält sich an die Vereinbarung? Seid ihr jetzt wirklich sicher bei Daimler Busses?
Cheyenne: Beim Bus sind wir erst mal durch. Wobei es einige illegale versteckte, „kleinere“ Verlagerungen ins Ausland gab, von einzelnen Vorgesetzten entschieden. Unser Werk in Tschechien hat bestimmte Teile nicht mehr aus Mannheim bestellt, wie eigentlich vereinbart. Aber wir haben das schnell gemerkt, es handelte sich auch noch um meinen Betreuungsbereich. Da verstehe ich keinen Spaß. Ich war außer Rand und Band.
Was hast du gemacht?
Cheyenne: Ich habe jedes Medium, jede Chance, mir jede Bühne genommen, um die Schweinerei publik zu machen und Druck aufs Management aufzubauen. In Gruppengesprächen, Betriebsratssprechstunden, außerordentliche Beschäftigteninformationen, bis hin zu einem öffentlichen Großaufschlag von mir auf der Betriebsversammlung. Dadurch ist das hocheskaliert bis zum Geschäftsführer inklusive mehrerer persönlicher Gespräche. Ich habe da null Berührungsängste und gehe da selbstbewusst rein. Und das kann ich auch, denn die Mannschaft steht voll und ganz hinter mir. Durch den breit aufgebauten Druck, ist die illegale Verlagerung sofort zurück gedreht worden. Und die ehemals verantwortlichen Führungskräfte sind gegangen. Für uns Benz’ler ist klar: Das war dem Management eine Lehre! Ohne uns geht hier nichts. Und gegen uns schon gar nicht!