Pascal* ist ein Mensch, den manche Jobvermittler als „Problemfall“ bezeichnen würden. Den Einstieg ins reguläre Berufsleben hat er nie geschafft, eine Lehre zum Kfz-Mechatroniker abgebrochen. Danach schlug er sich mit Gelegenheitsjobs durch. Mittlerweile ist er 29.
Pascal hätte ein Kandidat für Hartz IV werden können. Wurde er aber nicht. Er hat jetzt eine Perspektive – bei einem der beliebtesten Arbeitgeber des Landes, bei Porsche. Er hat dort ein sogenanntes Förderjahr absolviert. Dabei werden benachteiligte und lernschwache Jugendliche auf eine Ausbildung vorbereitet.
Pascal ist einer der Jugendlichen, mit denen der IG Metall-Vorsitzende Detlef Wetzel für sein neues Buch „Arbeit 4.0“ gesprochen hat. Der Gewerkschafter wollte wissen, wie es sich bewerkstelligen lässt, dass kein Jugendlicher zurückgelassen wird.
Alarmierende Zahlen
Wie drängend dieses Problem ist, zeigen Studien des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Nur noch sieben Prozent der Betriebe bilden demnach Jugendliche mit Hauptschulabschluss aus. In der Altersgruppe der 20- bis 34-Jährigen haben 2,21 Millionen Menschen keinen Berufsabschluss (15,2 Prozent). Eine fatale Entwicklung – aus zweierlei Gründen: Erstens haben Geringqualifizierte schlechte Jobchancen und drohen sozial abgehängt zu werden. Zweitens gehen der Industrie mittelfristig die benötigten Fachkräfte aus.
Die Antwort der IG Metall: Der Tarifvertrag „Förderjahr“, abgeschlossen bereits 2012 in Baden-Württemberg. Ziel der Vereinbarung ist es, schwache Jugendliche zu stärken. Porsche hat den Vertrag als eines der ersten Unternehmen umgesetzt – mit großem Erfolg.
Eines Besseren belehrt
Dieter Esser, Ausbildungsleiter bei Porsche, war anfangs wenig begeistert von der Förderjahr-Idee: „Der Betriebsrat hat das vorgeschlagen. Wir Ausbilder waren erst skeptisch, eben weil es um Hauptschüler mit schlechten Noten geht. Es sind Jugendliche dabei mit Sprachstörungen, vielfältigen Lernschwächen, viele sind in belasteten familiären und sozialen Verhältnissen aufgewachsen.“ Heute ist Esser vom Instrument des Förderjahres überzeugt. „Es hilft den Jugendlichen, die es schwer haben, den Einstieg in das Berufsleben zu finden, viel, viel mehr als viele andere Maßnahmen und Kurse.“
Um herauszufinden, was die Jugendlichen am besten können, wechseln sie während der Förderjahres alle drei Monate den Arbeitsplatz. Sie lernen, dass es bei Porsche nicht nur Kfz-Mechatroniker gibt, sondern zum Beispiel auch Innenausstatter. Eine Pädagogin hilft bei der Betreuung. Wer das Förderjahr schafft, bekommt bei Porsche einen Ausbildungsplatz.
+Doch bis es soweit ist, müssen viele der Jugendlichen ihre persönliche Motivations-Hürde überspringen. Sie sind weder gewohnt, regelmäßig früh aufzustehen, noch jede Woche durchzuarbeiten. Andauernde Misserfolge in der Schule haben ihren Antrieb sinken lassen.
Harte Schule
Welche Herausforderung das Förderjahr für die Jugendlichen bedeutet, zeigt die Gesprächsrunde, die in Detlef Wetzels Buch dokumentiert ist. „Wie war das? Wie hat es euch geholfen?“, will der IG Metall-Vorsitzende wissen. Antwort von Robin*, der das Jahr bereits absolviert hat: „Das Förderjahr ist hammerbrutal. Aber es hat mir sehr geholfen.“ Er habe sich dabei selbst besser kennengelernt, habe seine Fähigkeiten realistisch einschätzen und gezielt verbessern können.
Die Förderjahr-Absolventin Alina* formuliertes so: „Im Förderjahr wirst du geschliffen, geschliffen, geschliffen, und danach geht er immer nur höher.“ Ihr Fazit: „Ich sehe das mit dem Förderjahr so: Du wandelst Dich von einer Raupe zum Schmetterling.“
*Namen von der Redaktion geändert
Details zum Buch:
Detlef Wetzel
„Arbeit 4.0 – Was Beschäftigte und Unternehmen ändern müssen“
Herder-Verlag
ISBN 978-3-451-31306-6