Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat die Latte hoch gelegt. Er will ein Problem anpacken, das seit Jahren und Jahrzehnten auf eine Lösung wartet: die Langzeitarbeitslosigkeit. Zwar ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt derzeit entspannt wie lange nicht. Die Arbeitslosenquote sinkt ständig, die Arbeitsagentur meldet für Juni mehr als 800 000 offene Stellen. Trotzdem gibt es immer noch rund 820 000 Langzeitarbeitslose, von denen der Großteil im Hartz-IV-System steckt. Häufige Folge: sozialer Abstieg, ein Gefühl des Nicht-Gebraucht-Werdens.
Richten soll es nun eine Arbeitsmarktoffensive. Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag verordnet: „Wir bekennen uns zum Ziel der Vollbeschäftigung. Dazu gehört auch, dass Menschen, die schon sehr lange arbeitslos sind, wieder eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt eröffnet wird.“ Das entsprechende Gesetzesvorhaben ― das „Teilhabechancengesetz“ ― hat das Bundeskabinett heute beschlossen.
Betreuung, Qualifizierung und Zuschüsse
Die Eckpunkte: Betreuung und Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen sollen verbessert werden. Bis zu 150 000 Langzeitarbeitslose sollen durch Lohnzuschüsse entweder auf dem ersten Arbeitsmarkt unterkommen oder auf einem sozialen Arbeitsmarkt. Vier Milliarden Euro stehen dafür zur Verfügung. Die Jobs des sozialen Arbeitsmarkts sollen bei gemeinnützigen Einrichtungen, Kommunen und in der freien Wirtschaft entstehen. Ihre Bezahlung erfolgt in Form eines staatlichen Zuschusses, der mit der Dauer der Beschäftigung sinkt.
Für uns ist klar: Dass das Instrument der öffentlich geförderten Beschäftigung wiederbelebt wird, ist grundsätzlich positiv. „Die Intention des Gesetzentwurfs ist richtig und die Kritik der Arbeitgeberverbände daran ist falsch“, sagt Hans-Jürgen Urban, im IG Metall-Vorstand für Sozialpolitik zuständig. „Statt Langzeitarbeitslose gebetsmühlenhaft und erfolglos auf den ersten Arbeitsmarkt zu verweisen, sollten die Arbeitgeberverbände öffentlich geförderte Beschäftigung unterstützen und helfen, Arbeitslosen neue Chancen zu eröffnen.“ Gleichzeitig fordert Urban Korrekturen am vorgelegten Gesetzentwurf: Trotz richtiger Intention gebe es bei erheblichen Details Nachbesserungsbedarf. So fehle etwa ein Kontrollmechanismus, um Missbrauch zu verhindern.
Wiedereinstieg in regulären Arbeitsmarkt sollte Vorrang haben
Eine Schlüsselfrage ist: Für wen kommt der soziale Arbeitsmarkt überhaupt infrage und bei wem sollte man eher auf Qualifizierung setzen? Eine Lehre machen, eine Sprache lernen, einen IT-Kurs belegen ― alles, was dem Wiedereinstieg in den regulären Arbeitsmarkt dient, sollte Vorrang haben. Ein sozialer Arbeitsmarkt, bei dem Menschen in mehr oder weniger aussichtlosen Jobs geparkt werden, hätte seinen Namen nicht verdient.
Klar ist aber auch: Manche Menschen schaffen die Qualifizierung nicht. Sie scheitern immer wieder an den Anforderungen des modernen Arbeitsmarkts. Sei es, weil sie mit gesundheitlichen Problemen kämpfen. Sei es, weil es in ihrer Region schlicht keine geeigneten Jobangebote gibt und sie wegen Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen auch nicht einfach umziehen können. Für sie könnte öffentlich geförderte Arbeit ein sinnvolles Angebot sein. Aber nur dann, wenn bestimmte Regeln gelten.
Keine Konkurrenz für Betriebe vor Ort
Geförderte Arbeit darf reguläre Arbeit nicht verdrängen. Es sollten nur solche Tätigkeiten gefördert werden, die zusätzlich zum normalen Arbeitsmarkt entstehen. Hier steckt der Teufel im Detail. Denn woher sollen die Beamten im Bundesarbeitsministerium wissen, ob neu geschaffene und geförderte Jobs Betrieben vor Ort Konkurrenz machen oder nicht? Diese Frage lässt sich nur in den Regionen klären. Am besten mit Beteiligung von Gewerkschaften und Unternehmen. Sie kennen die lokalen Arbeitsmärkte und Betriebe am besten.
Um fair mit den Betroffenen umzugehen, sollten staatlich geförderte Arbeitsplätze tariflich oder zumindest ortsüblich bezahlt werden. In der nun vorliegenden Fassung des Gesetzes ist der Mindestlohn als Basis vorgesehen. Es besteht die Gefahr, dass der Staat Dumping-Geschäftsmodelle befördert. Außerdem müssen die öffentlichen Jobs sozialversicherungspflichtig sein. Diese Bedingung ist im Gesetz erfüllt ― mit Ausnahme der Arbeitslosenversicherung. Und natürlich löst das Gesetz längst nicht alle Probleme des Hartz-IV-Systems: „Bestimmte Kritikpunkte an Hartz IV bleiben bestehen“, sagt Urban. „So sind die Regelsätze zu niedrig und gerade auch die Zumutbarkeitsregeln und die Sanktionen gehören dringend reformiert.“ Es gibt also noch genug zu tun für Arbeitsminister Heil.