Grundsätzlich gilt, dass es Sache des Arbeitnehmers ist, wie er zur Arbeit kommt. Er schuldet pünktliches Erscheinen. Man spricht insofern auch davon, dass die Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer das Wegerisiko trägt.
Wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer also aufgrund der Witterung zu spät zur Arbeit erscheinen, haben sie für die Zeit, in der sie nicht gearbeitet haben, auch keinen Anspruch auf Lohn. Es gilt das allgemeine Prinzip: „Ohne Arbeit kein Lohn“. Das bedeutet aber auch, dass Beschäftigte die ausgefallenen Stunden grundsätzlich nicht nachholen müssen.
Gewerkschaftsjurist Dr. Till Bender, DGB Rechtsschutz GmbH
Arbeitszeit ist Eigenverantwortung
Anders ist es, wenn bei dem Arbeitgeber ein Überstundenkonto geführt wird. Die ausgefallenen Stunden werden dann als Minusstunden verbucht und können entsprechend zu einer späteren Zeit nachgeholt werden. Der Arbeitgeber kann aber niemanden zwingen, die morgens ausgefallenen Stunden abends dranzuhängen, insbesondere dann nicht, wenn etwa eine Teilzeitkraft mittags gehen muss, weil ein Kind von der Schule abzuholen ist.
Um es aber noch einmal klar zu sagen: Jede und jeder ist selbst dafür verantwortlich, pünktlich zur Arbeit zu erscheinen. Bei Verspätungen entfällt grundsätzlich der Lohnanspruch und zwar unabhängig davon, ob die Verspätung selbst verschuldet ist oder nicht!
Verhinderung aus subjektiven Gründen
Der Arbeitgeber muss nur in wenigen Ausnahmefällen trotz fehlender Arbeit den Lohn weiter zahlen und zwar dann, wenn der Arbeitnehmer „eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird“, also der Arbeit fernbleibt. Schneefall oder Glatteis sind aber keine „in der Person“ liegenden, sondern objektive Gründe, die alle in gleichem Maße treffen. Das gleiche gilt bei Hochwasser, Demonstrationen, Straßensperren, allgemeinen Fahrverboten oder bei Streiks der Verkehrsbetriebe.
Ein subjektiver Grund liegt zum Beispiel vor, wenn aufgrund der Witterung der Kindergarten oder die Schule geschlossen bleibt und die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer keine andere Betreuungsmöglichkeit findet. Denn der Grund für die Arbeitsverhinderung liegt dann „in der Person“ des Beschäftigten, weil sein eigenes Kind unbedingt Betreuung braucht. In diesem Fall besteht zumindest für einige Tage Anspruch auf Weiterzahlung des Lohnes.
Dieser Anspruch ergibt sich aus Paragraf 616 BGB. Die Bestimmung des Paragraf 616 BGB ist jedoch abdingbar – das heißt, es kann nicht nur eine Verbesserung zugunsten der Beschäftigten vorgenommen werden, sondern der Anspruch kann beschränkt oder sogar vollständig ausgeschlossen werden. Möglich ist dies sowohl durch Arbeitsvertrag als auch durch Tarifvertrag, unter Umständen auch durch Betriebsvereinbarung.
Abmahnung wegen witterungsbedingter Verspätung
Eine andere Frage ist, ob die Verspätungen wegen Eis und Schnee dazu führen können, dass der Arbeitgeber eine Abmahnung ausspricht. Hier kommt es auf den Einzelfall an, weil eine Abmahnung nur für ein vorwerfbares Verhalten ausgesprochen werden darf. Eine Abmahnung bei einem kurzfristigen Wintereinbruch oder wenn es wegen eines Unfalls zu Verkehrschaos kommt, wäre sicher nicht zu rechtfertigen.
Der Arbeitgeber kann aber vom Beschäftigten verlangen, dass er sich grundsätzlich auf die Witterungssituation einstellt und entsprechend mehr Zeit einplant. Die Ausrede, wegen des Schnees nicht rechtzeitig zur Arbeit erscheinen zu können, dürfte der Arbeitgeber spätestens nach drei oder vier Tagen nicht mehr hinnehmen. Dann wäre eine Abmahnung gerechtfertigt, insbesondere, wenn alle anderen Mitarbeiter pünktlich sind.
Auch die Fälle von „höherer Gewalt“ schließen eine Abmahnung aus, hierbei muss man allerdings vorsichtig sein: Nicht jeder unerfreuliche Umwelteinfluss stellt einen Fall der „höheren Gewalt“ dar. Hiervon kann man nur seltenen Fällen sprechen, wenn etwa der Deutsche Wetterdienst die Bevölkerung aufgefordert, wegen Überschwemmungen oder Eisglätte nicht auf die Straße zu gehen. Solche Ereignisse, gegen die sich kein Arbeitnehmer wappnen kann, führen ebenfalls bei Nichterscheinen bei der Arbeit nicht zu einer Abmahnung.
Wegeunfall
Bei ungünstiger Witterung kommt es vermehrt zu Unfällen. Rechtlich gilt hier das, was auch sonst bei Wegen von und zur Arbeit gilt: Wenn sich der Unfall auf dem direkten Weg zur Arbeit ereignet hat, gilt er als Arbeitsunfall, die Behandlungskosten werden von der Berufsgenossenschaft übernommen; diese zahlt gegebenenfalls auch eine Verletztenrente.
Arbeitsausfall wegen schlechter Witterung
In Ausnahmefällen mag es sogar vorkommen, dass die Arbeit überhaupt nicht stattfinden kann, weil es witterungsbedingt zu größeren Störungen des Betriebsablaufs kommt. Dieses Problem betrifft jedoch nicht mehr das Wegerisiko, sondern das allgemeine Betriebsrisiko und das trägt grundsätzlich der Arbeitgeber. Wenn Risiken aus der Sphäre des Arbeitgebers dazu führen, dass die Arbeit unmöglich ist, kann dies nicht zu Lasten des oder der Beschäftigten gehen und das bedeutet, der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin erhält den Lohn weiter, auch wenn sie oder er nicht arbeitet.
Unter Umständen kann in solchen Situationen aber die Bundesagentur für Arbeit mit Kurzarbeitergeld einspringen, im traditionell saisonabhängigen Baugewerbe besteht zudem Anspruch auf Saisonkurzarbeitergeld.
Info: IG Metall-Mitglieder werden vor den Arbeits- und Sozialgerichten bei Bedarf kostenlos von Juristinnen und Juristen der DGB Rechtsschutz GmbH vertreten. Erste Anlaufstelle bei Problemen ist die IG Metall vor Ort. Weitere Informationen zum gewerkschaftlichen Rechtsschutz findest Du hier.