Betriebsrats-Mobbing
Gewonnen: Fondium-Beschäftigte stehen hinter Betriebsräten

Löhne um 30 Prozent kürzen. Das ist der Plan bei Fondium in Mettmann (NRW). Doch die Betriebsräte stellen sich in den Weg. Deshalb bekämpft sie die Geschäftsführung mit teuren Anwälten. Doch sie halten durch. Und die Beschäftigten stehen hinter ihnen: klarer Sieg bei der Neuwahl des Betriebsrats.

20. September 202320. 9. 2023 |
Aktualisiert am 22. September 202322. 9. 2023


Gewonnen: Bei der Neuwahl des Betriebsrats bei der Eisengießerei Fondium in Mettmann/NRW gehen alle 15 Mandate an die Kandidaten der IG Metall. Eigentlich wollte sie die Geschäftsführung loswerden – und hat dafür teure Anwälte engagiert. Der Betriebsratsvorsitzende Halit Efetürk sollte gerichtlich des Amts enthoben werden und wurde immer wieder öffentlich und Aushängen attackiert. Doch die knapp 1000 Beschäftigten stellten sich mit der Neuwahl klar hinter ihre Betriebsräte, mit einer Wahlbeteiligung von 80,7 Prozent. Und Halit Efetürk erhielt die meisten Stimmen.

„Wir sind froh über das Vertrauen, das uns unsere Kolleginnen und Kollegen seit 13 Jahren geben“, erklärt Halit Efetürk zur Neuwahl des Betriebsrats. „Und wir hoffen, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat nun auf Augenhöhe akzeptiert und versucht, mit uns Lösungen zu finden.“

Seit 13 Jahren, seit er damals zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt wurde, will die Geschäftsführung den staatlich geprüften Elektrotechniker loswerden. Halit Efetürk war ständig vor Gericht, erhielt Abmahnungen und Kündigungen. Doch er bleibt, weil er hier seine Aufgabe sieht: gute tarifliche Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten sichern.
 

Geschäftsführung wollte Betriebsrat loswerden

Die Neuwahl des Betriebsrats war notwendig: Die Geschäftsführung hatte ihnen gedroht, den Betriebsrat gerichtlich auflösen zu lassen, wegen „fehlender vertrauensvoller Zusammenarbeit“. Deshalb brauchte es einen neuen, rechtssicheren Betriebsrat, dessen Beschlüsse Bestand haben. Der komplette Betriebsrat trat zurück, um die Neuwahl zu ermöglichen.

Bereits zwei Mal hat der Arbeitgeber versucht, mit Hilfe seiner Anwälte die Betriebsratswahlen per einstweiliger Verfügung abbrechen zu lassen. Und beide Male sind sie vor Gericht gescheitert.

Zudem schikanierte die Geschäftsführung die Betriebsräte permanent und zog ihnen Lohn für Betriebsratsarbeit und Schulungen ab. Doch sie ließen sich nicht unterkriegen – und traten wieder zur Wahl an. Die IG Metall Velbert unterstützt sie und gibt ihnen Rechtsbeistand. Und vor allem stehen die Beschäftigten der Eisengießerei Fondium hinter ihren Betriebsräten: Das zeigten bereits eine Woche vor der Betriebsratswahl bei der Betriebsversammlung – „So einen Applaus hat es hier noch nie gegeben“, meint Halit Efetürk – und vor allem jetzt bei der Wahl.

Bei der Betriebsversammlung trat Halit noch als Wahlvorstandsvorsitzender auf. Denn sein Amt als Betriebsrat durfte er in den letzten Wochen nicht mehr ausüben: Das hat die Geschäftsführung vor dem Landesarbeitsgericht erwirkt – mithilfe von Anwälten von der großen Düsseldorfer Anwaltskanzlei Kliemt.
 

Fondium engagiert teure Anwälte gegen den Betriebsrat

Die Anwälte von Kliemt sind teuer: rund eine Million Euro für Beratungsleistungen verlangten sie in einem anderen Betrieb, berichtet Hakan Civelek, Geschäftsführer der IG Metall Velbert. „Wir sind schon erstaunt darüber, dass sich eine überregional renommierte Anwaltskanzlei für so etwas hergibt: Es geht nicht um die Sache.“

Die Kanzlei Kliemt begleitet bereits in vielen Betrieben Verfahren, in den Arbeitgeber Betriebsräte bekämpfen, etwa bei Lieferando – und ist auf Webseiten wie Arbeitsunrecht.de als „Union Busting“-Kanzlei aufgeführt.

Zusätzlich haben die Fondium-Gesellschafter kürzlich noch einen Anwalt als weiteren Geschäftsführer eingestellt. Er provozierte die Betriebsräte wiederholt, platzte in Betriebsratssitzungen herein, wollte nicht mehr gehen. Schließlich beschloss der Betriebsrat, dass mit diesem Geschäftsführer keine „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ gemäß Betriebsverfassungsgesetz möglich ist. Halit Efetürk war bei dem Beschluss gar nicht dabei – dennoch wollten ihn die Fondium-Anwälte wegen Verweigerung der vertrauensvollen Zusammenarbeit aus dem Amt jagen. Ursprünglich wäre dazu Anfang Oktober die Verhandlung vor der Landesarbeitsgericht gewesen – doch das hat sich nun mit der Wahl eines neuen Betriebsrats ebenfalls erledigt.
 

Betriebsrat stellt sich quer gegen Lohnkürzungen

Doch warum will die Geschäftsführung ihren Betriebsrat loswerden? Weil die Betriebsräte sich querstellen gegen Lohnkürzungen und Abstriche vom Tarif: 30 Prozent will die Geschäftsführung den Beschäftigten wegnehmen, keine Überstunden mehr bezahlen, Samstag und Sonntag zur Regelarbeitszeit machen.

Betriebsrat und IG Metall sind bereit zu reden. Aber sie wollen Sicherheiten für die Arbeitsplätze – und dass das Unternehmen zusätzliches Personal für die Extra-Schichten einstellt. Denn die Maschinen sind bereits jetzt unterbesetzt und die Beschäftigten überlastet. Der Krankenstand liegt im zweistelligen Bereich, deutlich über dem Durchschnitt der Gießereibranche. Wie soll das funktionieren?

„Das ist eine Sackgasse. Das haben wir den Gesellschaftern immer wieder in Gesprächen klargemacht“, berichtet IG Metall-Geschäftsführer Hakan Civelek. „Es macht doch viel mehr Sinn, Betriebsräte und Beschäftigte mehr einzubinden und gemeinsam vorzugehen.“

Vor knapp zwei Jahren war die Geschäftsführung schon mal weiter. Damals kam Jörg Hofmann, der Erste Vorsitzende der IG Metall in den Betrieb, um über die Zukunft des Betriebs zu sprechen (Foto unten), vor allem über die Transformation und Wasserstoff. Die IG Metall Velbert und die Betriebsräte knüpften Kontakte zur Politik. Im von der IG Metall initiierten regionalen Transformationsnetzwerk spielt Fondium eine zentrale Rolle.

 

Jörg Hofmann bei der Fondium Gießerei in Mettmann

Fondium-Betriebsräte mit Hakan Civelek, IG Metall Velbert (2. v.l.) bei einem Betriebsbesuch des IG Metall-Vorsitzenden Jörg Hofmann (3. v.l.).
rechts neben Jörg Hofmann: der wiedergewählte Betriebsratsvorsitzende Halit Efetürk.


„Wir sind ja auch dabei, wenn es etwa um Fördergelder geht“, macht Betriebsrat Halit Efetürk klar, der öffentlich in den Medien immer wieder Unterstützung für sein Unternehmen und die Branche einforderte. „Gerade in Zeiten der Transformation und des Facharbeitermangels ist Zusammenarbeit unerlässlich.“
 

Betriebsrat hat viel für die Belegschaft erreicht

Damals, 2010, als Halit erstmals kandidierte, war die Firma – damals noch Georg Fischer – schon dabei, an der Belegschaft zu sparen und zu kürzen. Viele mussten massiv Überstunden machen, um auf einen guten Lohn zu kommen – und kurzfristig auch mal samstags oder sonntags antanzen. Mithilfe der IG Metall setzte der Betriebsrat jedoch vor allem im Zuge der Era-Einführung deutlich mehr Geld durch: Über 94 Prozent der Beschäftigten wurden höhergruppiert, in einigen Fällen um bis zu 1000 Euro mehr im Monat.

Deshalb steht die Belegschaft auch hinter ihren Betriebsräten. Halit und seine Betriebsratskollegen erhalten seit 2010 bei jeder Betriebsratswahl eindeutig das Vertrauen der Belegschaft – und bekamen von Wahl zu Wahl mehr Stimmen, trotz der ständigen Konflikte.

Auch bei dieser Wahl versuchte die Geschäftsführung wieder, die Belegschaft vom Betriebsrat zu spalten: Wenn Halit Efetürk weg ist, wird auch der neue Geschäftsführer gehen, heißt es in einem Aushang an die Beschäftigten.

Hakan Civelek von der IG Metall Velbert stellte sich auf der Betriebsversammlung hinter seine IG Metall-Betriebsräte. „Wenn der Betriebsrat nicht vertrauensvoll zusammenarbeitet, kann er seines Amtes enthoben werden. Aber was passiert denn dem Arbeitgeber, der jeden Tag gegen das Gesetz verstößt, etwa indem er am Betriebsrat vorbei ungenehmigte Überstunden anordnet?“


Immer mehr Union-Busting-Fälle

Fondium ist leider kein Einzelfall. Die IG Metall Velbert hat es mit immer mehr Fällen von „Union Busting“ (systematische Bekämpfung von Gewerkschaften und Betriebsräten) in ihren Betrieben zu tun. Der Trend ist auch bundesweit zu beobachten. Sogar im Betrieb des BDA-Arbeitgeberpräsidenten Rainer Dulger mobbt die Geschäftsführung gezielt Betriebsräte raus. Die IG Metall hat deswegen eine spezielle Task Force Union Busting aufgebaut, die Betriebsräte und die IG Metall-Geschäftsstellen vor Ort unterstützt.

Das Ziel der IG Metall und der Betriebsräte ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und Betriebe, die Erfolg haben – jedoch nicht auf dem Rücken der Beschäftigten, indem man den Betriebsrat zerstört, um Kosten zu sparen. Schon gar nicht in Zeiten des Fachkräftemangels, betont Hakan Civelek. „Viele Beschäftigte sind demotiviert. Dabei war Fondium immer ein attraktiver Arbeitgeber in der Region. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass es nach der Betriebsratswahl morgen besser wird. Selbstverständlich werden wir der Geschäftsführung die Hand reichen. Doch der Arbeitgeber muss endlich auch aufhören, gegen uns zu schießen – sondern mit seinen Betriebsräten die Zukunft des Betriebs angehen.“
 

Betriebsrat aus Überzeugung – für die Beschäftigten

Warum traten die IG Metall-Betriebsräte wieder an? Halit Efetürk hatte die letzten 13 Jahre ständig Stress: etliche Gerichtsverfahren, Abmahnungen und Kündigungen – und öffentlichen Wirbel. Er bekam eine Wohnung nicht, weil der Vermieter gegoogelt hatte, dass gegen ihn Kündigungsverfahren liefen.

Das Amt nötig hat Halit Efetürk bestimmt nicht: Der staatlich geprüfte Techniker hat einen Arbeitsvertrag als Abteilungsleiter der Elektrotechnik. Doch er ist Betriebsrat aus Überzeugung. Für die Zukunft des Betriebs. Und für seine Kolleginnen und Kollegen. „Klar, das ist schon oft auch stressig“, gibt Halit zu. „Aber ich bin überzeugt, dass es richtig ist. Es lohnt sich, für die Kolleginnen und Kollegen, die uns ihr Vertrauen geschenkt haben. Wir haben jetzt 13 Jahre gute Arbeitsbedingungen für sie gesichert. Wir wissen, wofür wir das machen.“

Betriebsrat
Neu auf igmetall.de

Newsletter bestellen