Betriebsrat bei Office People
Opel-Leiharbeiter wählen Betriebsrat im Campingbus

Falsche Lohnabrechnungen. Teilzeitvertrag - aber Vollzeitarbeit. Wer meckert, wird abgemeldet. Die Beschäftigten der Leiharbeitsfirma Office People wollen endlich Gerechtigkeit. Jetzt haben sie erstmals einen Betriebsrat gewählt – in zwei Campingbussen auf dem Parkplatz bei Opel in Rüsselsheim.

6. März 20246. 3. 2024


Vergangenen Sommer hatten sie hier ihre erste Wahlversammlung – auf ihrem „Platz der Demokratie“ vor Tor 60 beim Autobauer Opel in Rüsselsheim. Heute stehen sie hier seit 4 Uhr morgens mit zwei Campingbussen und Wahlurnen auf dem Parkplatz. Rund 380 Beschäftigte der Leihfirma Office People sind heute aufgerufen, ihren ersten Betriebsrat zu wählen.

„Es ist wichtig, dass sich jemand um unsere Probleme kümmert“, meint ein älterer Beschäftigter aus Afghanistan, der zum Schichtwechsel um 13.30 Uhr am Campingwagen ansteht. „Ich werde diesen Mann wählen.“ Er zeigt auf seinen Kollegen Abdullah Quraischi, der als gewähltes Mitglied des Wahlvorstands drinnen an der Wahlurne sitzt, Ausweise prüft und den Wahlablauf erklärt.

Seit 4 Uhr morgens ist Abdullah bereits hier, gemeinsam mit weiteren Kollegen. In die IG Metall ist er bereits an seinem ersten Tag vor etwa zwei Jahren eingetreten. Bald wurde er Vertrauensmann der IG Metall bei Office People. „Ein Betriebsrat von Opel sprach mich damals an“, erinnert sich Abdullah. „Du läufst hier durch die Gegend und klärst Probleme. Warum wirst Du nicht Vertrauensmann?“

Jetzt wählen sie ihren eigenen Betriebsrat bei Office People. Neben Abdullah (Foto oben, zweiter von rechts) kandidieren sieben weitere Kollegen und eine Kollegin. Rund 380 Leihbeschäftigte sind zur Wahl aufgerufen. Bis 22 Uhr abends läuft die Betriebsratswahl noch.
 

„Leihbeschäftigte fühlen sich abgezockt“

Probleme, um die sie sich kümmern müssen, haben sie reichlich. „Viele Kollegen fühlen sich abgezockt“, meint Abdullah.

Zwar verdienen sie hier dank des großen Engagements der IG Metall-Betriebsräte und Vertrauensleute bei Opel mehr, als anderswo: Sie bekommen eine Aufzahlung von 1900 Euro aufs Urlaubs- und Weihnachtsgeld, 600 Euro mehr Inflationsausgleichsprämie und bereits nach sechs Wochen Einsatz Equal Pay – also Bezahlung nach Metall-Tarif, 3453 Euro brutto im Monat. Zudem sind bereits 150 Leihbeschäftigte fest übernommen worden. Doch gegen die ungerechte Behandlung bei ihrem direkten Arbeitgeber Office People, gegen falsche Versprechen und falsche Abrechnungen kann der Opel-Betriebsrat nichts tun. Deshalb nehmen sie es nun selbst in die Hand.

„Ich habe immer wieder Fehler in meinen Lohnabrechnungen gefunden. Und wenn ich dann endlich mal jemand im Büro erreicht habe, dann hieß es: Oh, da haben wir wohl mal einen Tag vergessen“, ärgert sich Wadah Gamma, der seit zwei Jahren hier arbeitet und einer der neun Betriebsratskandidaten bei Office People ist. „Immer mehr Kollegen, die oft auch nicht gut Deutsch können, sprachen mich an: Wadah, kannst Du mal meine Abrechnung checken? Ich finde fast immer etwas. Bei mir zuhause im Sudan sind wir so etwas ja gewohnt. Aber in einem demokratischen Rechtsstaat wie Deutschland?“

 

Wahlvorstand Abdullah Quraischi bei der Betriebsratswahl im Campingbus.
 

Wer krank oder im Urlaub ist, verliert Geld

Was sie noch ärgert: Viele haben Teilzeitverträge – etwa über 120 Stunden im Monat – obwohl sie voll im Opel-Schichtsystem, also über 150 Stunden arbeiten, die sie zwar vergütet bekommen. Doch bei Krankheit und im Urlaub haben sie weniger Geld.

„Dabei arbeiten wir die gleichen Zeiten und Schichten. Diese Ungerechtigkeit - das geht gar nicht“, meint Betriebsratskandidat Sadruddin Yousoufi (Foto oben ganz rechts), der ebenfalls schon seit 4 Uhr morgens hier ist. In Afghanistan hat er als Dolmetscher gearbeitet. Das nutzt ihm auch hier. „Ich erkläre den Kollegen, wie eine Gewerkschaft und ein Betriebsrat funktioniert“, berichtet Sadruddin. „Wenn Du ihre Muttersprache kannst, dann kommst Du den Leuten näher.“
 

Die Angst, bei Opel abgemeldet zu werden

Anders als viele ihrer Kolleginnen und Kollegen haben die Betriebsratskandidaten unbefristete Arbeitsverträge. Darauf haben sie bei der Aufstellung ihrer Kandidatenliste geachtet. Doch auch sie können jederzeit bei Opel abgemeldet und einem anderen Betrieb für weniger Geld eingesetzt werden.

„Viele hier haben Angst“, erklärt Wahlvorstand Isik Özgür – was aus dem Türkischen wörtlich übersetzt „Licht der Freiheit“ bedeutet. „Unser Ziel ist, dass die Befristeten bleiben und weiter bei Opel arbeiten können“.
 

T-Geld bei Opel jetzt auch für Leihbeschäftigte

Am Tag der Wahl gibt es noch weitere gute Nachrichten für die Leiharbeiter – das Transformationsgeld (T-Geld) von einmalig 18,4 Prozent des Monatsentgelts, das es eigentlich nur für die Beschäftigten im Metall-Tarif gibt, gibt es exklusiv bei Opel in Rüsselsheim auch für die Leihbeschäftigten. Macht noch mal gut 600 Euro brutto zusätzlich, dank dem Einsatz der IG Metall-Betriebsräte von Opel.
 

Alle neun Kandidaten gewählt

Ab 22 Uhr werden schließlich die Stimmen ausgezählt. Abdullah Quaraischi hat die meisten Stimmen bekommen, berichtet Daniel Bremm von der IG Metall Darmstadt (Foto unten links). „Danach kommen gleich die beiden anderen Wahlvorstände, die sich von Anfang an engagiert haben“: Isik Özgür (dritter von rechts) und Mehrdad Farokhi Azgeh (rechts daneben).

„Die dürfen doch nicht einfach machen was sie wollen – und Leute, die ihre Rechte einfordern, abmahnen oder sogar abmelden“, macht Mehrdad klar. „Wir müssen für unsere Rechte kämpfen.“

Das können sie jetzt. Nächste Woche konstituiert sich der neue Betriebsrat bei Office People in Rüsselsheim.

Campingbus zur Betriebsratswahl am „Platz der Demokratie“ vor Tor 60 bei Opel in Rüsselsheim.

 

 

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