DGB-Umfrage
Die Hälfte der Beschäftigten geht krank zur Arbeit

Krank zur Arbeit? Laut einer DGB-Umfrage kuriert sich nur die Hälfte der Beschäftigten richtig aus. Das hat Folgen. Für die Beschäftigten und für die Betriebe.

25. März 202225. 3. 2022


Eigentlich ist es ganz einfach: Wer krank ist, der soll nicht arbeiten – sondern sich daheim auskurieren. Soweit die Theorie. In der Praxis allerdings wird davon allzu oft abgewichen. Das zeigt jetzt eine aktuelle DGB-Umfrage.

Knapp die Hälfte aller in der repräsentativen Studie befragter Kolleginnen und Kollegen (exakt 48 Prozent) gab an, im vorangegangenen Jahr mindestens einmal gearbeitet zu haben, obwohl sie sich richtig krank fühlten. Frauen (53 Prozent) taten dies häufiger als Männer (43 Prozent). Bei knapp einem Drittel (32 Prozent) der Beschäftigten summierten sich die mit Erkrankung geleisteten Arbeitstage binnen einem Jahr sogar auf eine Woche oder mehr.

 

Arbeiten trotz Krankheit ist weit verbreitet

Die Umfrage unter mehr als 6000 Beschäftigten zeigt allerdings auch einen Corona-Effekt: Seit Beginn der Pandemie kurieren sich deutlich mehr Beschäftigte konsequent aus als zuvor. Die Daten weisen einen Rückgang in den Jahren 2020 und 2021 auf, also in den Jahren, in denen die Corona-Pandemie auch die Arbeitswelt im Griff hatte. Die Vermutung liegt nahe, dass der dringende Aufruf, bei Krankheitssymptomen Kontakte zu vermeiden, ein wichtiger Grund für die sinkenden Zahlen war. Dennoch ist Arbeiten trotz Krankheit weiterhin stark verbreitet.

Was bringt Beschäftigte aber dazu, krank zu arbeiten und so möglicherweise ihre Genesung und ihre Gesundheit zu gefährden? Die DGB-Daten zeigen einen deutlichen Zusammenhang zu drei Feldern von Arbeitsbedingungen: Arbeiten trotz Krankheit ist immer dann besonders verbreitet, wenn die Betriebskultur problematisch ist, wenn Beschäftigte unter einer hohen Arbeitslast leiden und wenn die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes groß ist.

 

Betriebskultur ist entscheidend

Wie groß insbesondere die Rolle der Betriebskultur für die Frage ist, ob Beschäftigte, die krank sind, zur Arbeit kommen oder nicht, wird in der Umfrage überdeutlich: Die Daten zeigen, dass Präsentismus - wie das Arbeiten trotz Krankheit genannt wird – immer dann besonders häufig auftritt, wenn Beschäftigte von einer schlechten Betriebskultur berichten. Vor allem fehlende Wertschätzung durch Vorgesetzte, dazu ein schwieriges Meinungsklima sowie ein Mangel an Unterstützung tragen dazu bei, dass Beschäftigte trotz Krankheit arbeiten. Das ist messbar: Wo eine belastende Betriebskultur herrscht, liegt der Anteil derjenigen, die auch krank gearbeitet haben, bei 68 Prozent. Umgekehrt zeigt sich: In Betrieben mit einem guten Klima arbeiten fast zwei Drittel der Beschäftigten nie, wenn sie sich krank fühlen.

Ähnlich starke Zusammenhänge zeigen sich auch immer dann, wenn Kolleginnen und Kollegen von einer hohen Arbeitsbelastung berichten. Die Umfrage macht klar: Je stärker die Arbeitsverdichtung ist, desto häufiger wird auch krank gearbeitet. Und es zeigt sich: Eine hohe Arbeitsbelastung stellt oftmals ein doppeltes Risiko dar: Sie belastet die Gesundheit bei der Arbeit und sie beeinträchtigt die Genesung, wenn trotz Krankheit gearbeitet wird. Schließlich: Wenn sich Beschäftigte Sorgen um den Verlust ihres Arbeitsplatzes machen, arbeiten sie ebenfalls häufiger krank.

 

Präsentismus verursacht hohe Kosten

Ein Trugschluss ist es nun allerdings anzunehmen, dass Firmen durch Präsentismus Kosten sparen. Im Gegenteil. Viele Untersuchungen zeigen: Kranke, die arbeiten, verursachen hohe Kosten. Die mit Präsentismus einhergehenden Produktivitätsverluste sind enorm. Je nach Quelle werden die Verluste auf genauso groß beziehungsweise ein Vielfaches der Kosten beziffert, die Unternehmen bzw. der Gesellschaft durch krankheitsbedingte Fehlzeiten entstehen. Beschäftigte, die krank zur Arbeit gehen, sind aber nicht nur nachweislich weniger produktiv. Einer Studie von Arbeitsmedizinern aus dem Jahr 2009 zufolge erhöht sich zudem ihr Risiko, die Krankheit zu verschleppen und später wesentlich länger auszufallen.

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