Demo für die Eigenständigkeit
Salzgitter AG: Beschäftigte kämpfen gegen Übernahme

Ein Konsortium will die wirtschaftliche Kontrolle beim Stahlkonzern Salzgitter übernehmen. Richtungsentscheidungen könnte das Konsortium dann allein treffen, die Mitbestimmung wäre ausgehebelt. Über 3000 Metallerinnen und Metaller verdeutlichen: „Hände weg von Salzgitter.“

5. Dezember 20245. 12. 2024


„Wir wollen Eigenständigkeit“ und „keine Übernahme“ rufen die weit über 3000 Metallerinnen und Metaller immer wieder. Einige haben sich als Asterix, Obelix und die Unbeugsamen verkleidet. Mit selbstgebastelter und beschrifteter „Streitaxt“ und einem Rammbock, an dem das Schild „Eigenständigkeit“ hängt, zeigen sie sich kampfbereit ihr kleines Dorf Namens Salzgitter AG gegen fremde Mächte zu verteidigen. Einige Kollegen tragen den für Stahlkocher typischen Silbermantel und entzünden Bengalos. Auf Plakaten steht: „Hände weg von der Salzgitter AG“ und „Keine Übernahme“.


Konsortium will Kontrolle übernehmen

Aus  Salzgitter, Peine, Ilsenburg, Duisburg, Dortmund, Düsseldorf, Osnabrück, Zeithain, Hamburg, Hannover, Mühlheim und vielen weiteren Standorten sind die weit über 3000 Beschäftigten heute zur Sitzung des Aufsichtsrats gekommen, um für die Eigenständigkeit der Salzgitter AG zu kämpfen.
 

Beschäftigte demonstrieren für die Eigenständigkeit der Salzgitter AG.

Kundgebung „Händeweg von der Salzgitter AG“.


Denn drinnen bei der Sitzung wird der Aufsichtsrat nun offiziell über ein Vorhaben informiert, das bereits vor rund einem Monat bekannt wurde: Ein Konsortium aus der Unternehmensgruppe GP Günter Papenburg und TSR Recycling will 45 Prozent der Aktien der Salzgitter AG (SZ AG) plus eine Aktie erlangen. Dadurch würde es die wirtschaftliche Kontrolle über den Stahlkonzern bekommen und in der Hauptversammlung über die Stimmenmehrheit verfügen. Doch wie kann man schon mit 45 Prozent plus einer Aktie die Mehrheit haben? Das geht, da zehn Prozent der Aktien die SZ AG selbst hält, der eigene Aktienanteil der SZ AG bei Abstimmungen aber nicht stimmberechtigt ist. GP und TSR könnten damit Richtungsentscheidungen am Vorstand und Aufsichtsrat vorbei entscheiden. Auch das Land Niedersachsen, das mit 26,5 Prozent der Aktien einen großen Teil der Stimmen hat, könnte das in diesem Fall nicht verhindern und wäre im Zweifel überstimmt.


Übernahme würde Mitbestimmung aushebeln

Eine Übernahme wäre für die Beschäftigten aus zwei Gründen gefährlich. Zum einen hat die Eigenständigkeit der Salzgitter AG in der Vergangenheit den wirtschaftlichen Erfolg gesichert und vor einem hemmungslosen Einfluss von Aktionärsinteressen geschützt. Zum anderen stellt die Eigenständigkeit für die Beschäftigten der SZ AG sicher, dass ihre Arbeits- und Lebensbedingungen durch die höchste Form der Mitbestimmung, die Montanmitbestimmung, geschützt sind.

Die Montanmitbestimmung sieht im Kern vor, dass der Aufsichtsrat zu gleichen Teilen der Anteilseigner und der Arbeitnehmer besetzt ist. Das bedeutet, dass Abstimmungen im Aufsichtsrat grundsätzlich nicht gegen die Stimmen der Arbeitgeber erfolgen können. Das würde sich ändern, wenn das Konsortium die anvisierten 45 Prozent der Anteile plus eine Aktie erhalten würde, denn das Konsortium könnte die Abstimmungen des Aufsichtsrats in der Hauptversammlung kippen.


Ausverkauf der Salzgitter AG könnte drohen

Doch welche Entscheidungen könnte das Konsortium mit ihrer Stimmmehrheit durchdrücken wollen? Hasan Cakir, Vorsitzender des Konzernbetriebsrats und Mitglied des Aufsichtsrats der Salzgitter AG, hat nach Gesprächen mit der Familie Papenburg die Vermutung, dass diese es auf das Tafelsilber abgesehen hat: „Ein zentrales Ziel ist offenbar der Zugriff auf die Aktienanteile an der Aurubis AG. Weiterhin haben wir den Eindruck, dass bestimmte Kerne der Salzgitter AG in ein neues Unternehmenskonstrukt überführt werden. Alle darüber hinaus gehenden Unternehmensteile werden einem Ausverkauf der Salzgitter AG zum Opfer fallen“, sagt der Konzernbetriebsratsvorsitzende und betont: „Unsere Bedenken zu einer neuen Eigentümerstruktur sind daher in keinem Fall ausgeräumt.“  


Hüttenweit kampfbereit

Hans-Jürgen Urban, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall und stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der Salzgitter AG, erklärt wie es nun weitergeht: „IG Metall und Betriebsrat gehen mit einer klaren Orientierung in die nächsten Wochen. Die Maßstäbe, mit denen wir Angebote und Strategien messen, lauten: Erhalt der Eigenständigkeit der Salzgitter AG und der starken, paritätischen Mitbestimmung, Erhalt der Standorte, Beschäftigung und guter Arbeitsbedingungen sowie Fortsetzung der Transformation in Richtung grüner Stahl. Mit dieser Orientierung sind wir, wenn nötig, auch zu harten Konflikten bereit.“

400 Vertrauensleute der Salzgitter AG haben bereits eine Resolution gegen die Übernahme verabschiedet und angekündigt mit Geschlossenheit, Kraft, langen Atem und vielfältigen Aktionen für die Beschäftigten einzustehen. „Wir werden uns mit aller Kraft wehren. Wir sind hüttenweit kampfbereit“, betont Nils Knierim, Vertrauenskörperleiter der Salzgitter Flachstahl.

Eine klare Ansage gibt es auch von Hasan: „Diese Übernahme bedroht unsere Mitbestimmung, unsere Arbeitsbedingungen. Für die Verteidigung unserer Arbeitsbedingungen und Mitbestimmung werden wir alles in die Waagschale werfen.“

Neu auf igmetall.de

Newsletter bestellen