Eskalation bei VW
VW: Die wahren Gründe für die Krise

Das VW-Management will Standorte schließen. Nicht mit uns, sagt die IG Metall. Die wahren Gründe der Krise liegen nicht in den Personalkosten, sondern in Fehlern des Managements, die es nun auszubessern gilt.

5. September 20245. 9. 2024 |
Aktualisiert am 13. September 202413. 9. 2024


„Ich werde in den nächsten Minuten klarmachen, was das Problem bei Volkswagen ist und wie hochproblematisch der Vorstand mit diesem Problem umgeht“, mit diesen Worten beginnt Daniela Cavallo ihre Rede bei der Betriebsversammlung vor rund 25.000 VW-Beschäftigten in Wolfsburg. Dann spricht die Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats Klartext: „Volkswagen krankt eben genau nicht an seinen deutschen Standorten und an den deutschen Personalkosten. Sondern Volkswagen krankt daran, dass der Vorstand seinen Job nicht macht.“


VW-Management ist schuld an der Krise

Die Betriebsrätin leugnet nicht, dass VW in der Krise steckt, doch die Personalkosten, die nun das Management scharf reduzieren möchte, enttarnt sie als vorgeschobenen Grund. Minuziös erklärt die Metallerin, was das Management verschlafen hat und was nun zu tun ist: Der Konzern müsse die Technologieführerschaft wieder zurückerlangen. Dafür müsse die Technische Entwicklung gestärkt werden, statt Produkte und Projekte immer wieder zu verschieben. Dazu gehören für Cavallo deutliche Sprünge im Bereich Software oder die Weiterentwicklung eines wettbewerbsfähigen Batteriesystems: „Und zwar mit der Einheitszelle mit klaren Verantwortlichkeiten in der PowerCo und mit Zusagen aus allen Marken“, so Cavallo.

Doch das Management war in den letzten Jahren was neue Produkte und Technologien angeht hasenfüßig unterwegs. Die Betriebsrätin beklagt, dass die Unternehmenslenker ihre Entscheidungen immer wieder revidieren würden. Auch die Ineffizienz, die das Management zu verantworten hat, sieht Cavallo als Hemmschuh: „Unsere Regelwut müssen wir angehen, wir müssen unseren Dokumentationsirrsinn abstellen und die vielen doppelten und dreifachen Prozesse zur Absicherung. Und das alles ist Führungsaufgabe!“


Aufträge werden aus Wolfsburg ferngehalten

„Gerade in herausfordernden Zeiten brauchen wir aber den Mut, auch in der Krise zu investieren und so den Grundstein für die Innovationen von morgen zu legen. Beispiele dafür sind neue Modelle im Volumensegment. Aber auch, die installierten Kapazitäten der Fabriken bestmöglich auszulasten und somit Fixkosten zu reduzieren. Nur so wird es uns gelingen, gestärkt und nachhaltig erfolgreich wieder aus dieser Situation herauszukommen.“ Und was macht das Management bei VW? Das Gegenteil – erfährt, wer Cavallo dazu befragt. Ein Beispiel liefert die Betriebsrätin dann auch: „Aufträge werden aus Wolfsburg ferngehalten, um völlig engstirnig kurzfristig Geld zu sparen. Für ein Herzstück unserer Elektro-Strategie, den künftigen VW-Kleinstwagen, wollte man sich dem Wettbewerb an den Hals werfen und ihn bei Dacia bauen lassen.“ Dem Management kreidet sie zudem an, dass es den Markt für Hybrid-Antriebe unterschätzt und so nicht dementsprechend das Angebot gestaltet hat.


Werkschließung gab es bei VW noch nie

Doch, statt die vorgetragenen Probleme anzugehen, wollen es sich die Manager von VW-Finanzchef Arno Antlitz, über VW-Markenchef Thomas Schäfer, bis Konzernvorstand Oliver Blume leicht machen. Sie wollen Standorte schließen und Beschäftigung abbauen. Zwei Standorte hätte man zu viel, der Markt wäre zu klein, so ihre Argumentation. Dafür haben sie wenige Tage nach der Betriebsversammlung ihre Drohung wahrgemacht und die Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung gekündigt. Eine Vereinbarung, die im Grunde seit 30 Jahren gilt.

Mit ihrem Plan, Standorte zu schließen, würden die Unternehmenschefs in die Geschichte des Konzerns eingehen und ihr schlechtes Management dokumentieren, denn noch nie musste ein Werk in Deutschland schließen, egal wie herausfordernd die Zeiten waren. Und dass nicht der Markt zu klein ist, sondern das Management die falsche Strategie verfolgt, um mehr Autos zu verkaufen, hatte die Gesamtbetriebsratsvorsitzende Cavallo bereits verdeutlicht, bevor die Manager bei der Betriebsversammlung zum Mikrofon greifen konnten.


IG Metall kündigt erbitterten Widerstand an

„Armutszeugnis“ und „Bankrotterklärung“ nennt Cavallo die Pläne des Managements. Sie betont: „Mit mir wird es keine VW-Standortschließungen geben!“ Thorsten Gröger, IG Metall-Bezirksleiter Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, verdeutlicht nach der Betriebsversammlung, als er gemeinsam mit Daniela Cavallo vor die Kameras der Presse tritt: „Heute ist klar geworden, dass die Beschäftigten sehr eng beisammenstehen. Und dass das Unternehmen, wenn es seine Pläne weiterverfolgt, den entschlossenen Widerstand der Beschäftigten und der IG Metall zu spüren bekommen wird. Ein solcher Kahlschlag wäre inakzeptabel. Wir werden mit aller Kraft, notfalls im harten Konflikt, für den Erhalt aller Standorte sowie der Jobs unserer Kolleginnen und Kollegen kämpfen!“

Auch von Christiane Benner, Erste Vorsitzende der IG Metall, kommen klare Worte: „Die Nachrichten aus Wolfsburg sind dramatisch. Und unsere Reaktion darauf ist deutlich: So nicht, liebes VW-Management! Die Beschäftigten stehen nicht mit Lohneinbußen oder ihrem Arbeitsplatz dafür ein, dass ihr jahrelang die falschen Entscheidungen getroffen habt!“ Benner erklärt, wie es nun weitergeht: „Die IG Metall steht an der Seite der Beschäftigten und des Betriebsrates, wir werden uns gemeinsam gegen die überbordenden Pläne des Unternehmens wehren. Stattdessen brauchen wir einen gemeinsamen Weg, um für VW und seine Beschäftigten eine in jeder Hinsicht nachhaltige und zuverlässige Zukunft zu gestalten.“

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