Mein Leben – meine Zeit: Arbeitszeitkonferenz in Mannheim
Für einen arbeitszeitpolitischen Aufbruch

„Arbeitszeiten müssen zum Leben passen. Wir wollen, dass dies für alle möglich ist“, sagte der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann in Mannheim, wo 850 Betriebsräte und Vertrauensleute darüber diskutierten, wie dieser Anspruch tarifpolitisch umgesetzt werden kann.

27. Juni 201727. 6. 2017


Mehr Selbstbestimmung und Gerechtigkeit in der Arbeitszeit lautet das Ziel der IG Metall in der aktuellen Arbeitszeitdebatte. Wie sie dieses Ziel tarifpolitisch erreichen will, darüber diskutierten rund 850 Mitglieder der Tarifkommissionen aus allen Bezirken während der Arbeitszeitkonferenz in Mannheim.

In den zahlreichen Beiträgen zeichnete sich ab, was auch die Beschäftigtenbefragung der IG Metall mit mehr als 680 000 Beteiligten zum Ausdruck gebracht hatte: Die große Mehrheit der Beschäftigten will Arbeitszeiten, die zum Leben passen. Sie wollen Arbeitszeiten, die verlässlich sind, genug Zeit für das Leben neben der Arbeit lassen und über sie selbst bestimmen können.


Angesichts dieses klaren Votums der Beschäftigten kritisierte Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall, die Arbeitgeber. Ihr Konzept aus „Vollzeit plus Überstunden plus Leistungsverdichtung plus Flexibilität“ habe ausgedient. Hofmann plädierte in Mannheim für einen „arbeitszeitpolitischen Aufbruch“. Das Ziel: Mehr Selbstbestimmung über die Arbeitszeit. Mehr Gerechtigkeit im Arbeitsleben – etwa durch Arbeitszeitreduzierung mit Entgeltausgleich für Kinder, Pflege und Gesundheit.

„In der Arbeitswelt der Zukunft arbeiten die Menschen selbstbestimmt und sicher – um kreativ, gesund und zufrieden zu sein“, sagte Hofmann. Angesichts der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hält Hofmann die anstehende Tarifrunde für den richtigen Zeitpunkt für diesen Aufbruch. Die Wirtschaft befinde sich im achten Jahr nach der Krise im Aufschwung und die Ertragslage vieler Unternehmen sei glänzend.


Ganz oben auf der arbeitszeitpolitischen Prioritätenliste steht für die meisten die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben. „Die Beschäftigten wollen einen verbindlichen Anspruch auf individuelle Möglichkeiten, ihre Arbeitszeit mit ihrem Privatleben in Einklang zu bringen“, sagt Karola Frank, Vertrauensfrau bei Audi in Ingolstadt. Flexibilität und die Anpassung an die jeweilige Lebenssituation spielten dabei eine wesentliche Rolle, so die Metallerin. „In Ergänzung zu betrieblichen Lösungen müssen wir tarifvertragliche Angebote schaffen, die auf die Bedürfnisse der Menschen zugeschnitten sind.“

Das könnte ein Wahlrecht ermöglichen, die Arbeitszeit befristet zu verkürzen – zum Beispiel auf bis zu 28 Stunden, jedoch mit einem Rückkehrrecht zur 35-Stunden-Woche. Dies muss für Beschäftigte mit Kindern unter 14 Jahren oder pflegebedürftigen Angehörigen mit einem Entgeltausgleich verbunden werden, damit sich jeder kürzere Arbeitszeiten unabhängig vom Einkommen leisten kann. „Wir wollen diesen Entgeltausgleich als eine zeitgemäße Sozialleistung tariflich regeln, weil Zeit für Kinder und Pflege gesellschaftlich notwendig ist“, sagt Jörg Hofmann.


Wunscharbeitszeit ist und bleibt für die große Mehrheit der Beschäftigten die 35-Stunden-Woche. Auch in den neuen Bundesländern, wo noch in der Metall- und Elektroindustrie 38 Stunden in der Woche nach Tarifvertrag gearbeitet wird. „Die Verkürzung unserer tariflichen Arbeitszeit von 38 Stunden in der Woche wäre eine Voraussetzung, um die erheblichen Belastungen der Schichtarbeit erträglicher und planbarer gestalten zu können“, sagt Carmen Bahlo, Betriebsratsvorsitzende von ZF Getriebe in Brandenburg.

Vor allem Schichtarbeiter brauchen Entlastung. Sie trifft besonders der Druck der Betriebe, die die Arbeitszeit der Beschäftigten allein den Erfordernissen der Märkte unterwerfen. Deshalb muss es auch Schichtarbeitern möglich sein, ihre Arbeitszeit zu fairen Bedingungen und mit einem finanziellen Ausgleich zu reduzieren.

Eine klare Absage erteilten die Konferenzteilnehmer in Mannheim allen Bestrebungen, das Arbeitszeitgesetz aufzuweichen. Jörg Hofmann: „Selbstbestimmt zu arbeiten, heißt auch, die ‚rote Karte‘ ziehen zu können und zu sagen: Jetzt ist Schluss für heute! Deshalb muss es auch in Zukunft verlässliche tarifliche und gesetzliche Regelungen zur Ruhezeit geben.“

In den kommenden Wochen wird die IG Metall die Arbeitszeitdebatte in den Betrieben fortsetzen und im Herbst die Forderungen für die anstehende Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie beschließen.

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