Weltflüchtlingstag
„Mein Leben hat neu angefangen“

Fadi Abou Labada kam 2015 als Geflüchteter nach Deutschland. Heute prüft er Züge bei Siemens Mobility. Im Interview erzählt er seine Integrationsgeschichte, bei der eine Metallerin eine große Rolle spielte.

18. Juni 202118. 6. 2021


Fadi, Du lebst seit Anfang 2015 in Deutschland, hast die Sprache gelernt und eine Arbeit gefunden. Woran kannst Du Dich noch nicht gewöhnen?

Fadi Abou Labada: An die Bürokratie. Das ist hier eine sehr komplizierte Angelegenheit. Vor kurzem musste ich meine Meldebescheinigung neu beantragen – und viele Wochen warten, ehe sie endlich bei mir eintraf.


Woher bist Du gekommen?

Ich bin in der syrischen Hauptstadt Damaskus geboren und in Kuweit aufgewachsen. Meine Familie lebt immer noch dort. Aber ich konnte nicht in Kuweit bleiben, weil mein syrischer Pass abgelaufen war. Einen Neuen zu bekommen war unmöglich: Zwischen Kuwait und Syrien bestanden keine diplomatischen Beziehungen mehr, weshalb die Botschaft geschlossen war. Ohne aktuellen Pass wird man in Kuwait sofort als illegal angesehen und hat kein Bleiberecht mehr. In Syrien herrscht seit zehn Jahren Krieg. Wäre ich in Kuweit ohne gültigen Pass angetroffen worden, hätte man mich umgehend nach Syrien abgeschoben – mitten hinein in den Bürgerkrieg.


Wie ist Deine Flucht abgelaufen?

Von Griechenland aus zu Fuß über die Balkanroute. Einige, die mit mir auf der Flucht waren, sind im Mittelmeer ertrunken. Im Februar 2015 habe ich Deutschland erreicht. Zunächst ging es in eine Sammelunterkunft nach Gießen, später dann nach Mönchengladbach. Dort hat mein Leben neu angefangen.


Was ist passiert?

Ich wollte unbedingt arbeiten. So schnell wie möglich, nicht erst nach jahrelangen Sprachkursen. Natürlich habe ich den verpflichtenden Sprachkursus B1 sowie den Integrationskurs „Leben in Deutschland“ absolviert. Danach habe ich mir ein Praktikum gesucht und dafür Dutzende Bewerbungen geschrieben. Bei einer Firma in Krefeld hat es geklappt. Dort bekam ich zwar ein gutes Praktikumszeugnis, hatte aber noch keinen Ausbildungsplatz.


Wie ging es weiter?

Ich bin zur Arbeitsagentur gegangen, habe das Zeugnis und die Bewerbungen gezeigt. Am Ende genehmigte die Agentur einen Bildungsgutschein für eine Ausbildung zum Mechatroniker. Das war mein Ziel. Ich interessiere mich sehr für Technik, hatte in Kuweit schon bei einer Telekommunikationsfirma gearbeitet. Nach der Ausbildung war ich als Leiharbeiter tätig. Monatelang ging es jeden Morgen um fünf von Gladbach nach Dortmund und nach der Schicht zurück. Seit zwei Jahren studiere ich außerdem berufsbegleitend am Berufskolleg für Technik in Mönchengladbach, drei Abende pro Woche, mit dem Ziel „Staatlich geprüfter Techniker Fachrichtung Mechatronik.“ Im März 2021 hat mich „Siemens Mobility“ als Inbetriebsetzer fest eingestellt. Dort prüfen wir im Team neue Züge, bevor sie ausgeliefert werden


Wie empfindest Du die Debatte über Geflüchtete in Deutschland?

Viele denken, die Menschen aus Syrien seien gekommen, um beim Arbeitsamt Geld zu kassieren. Aber sie sind wegen des Krieges gekommen, sie hatten keine andere Wahl. Ich bin schon seit Mitte 2017 unabhängig von der Arbeitsagentur, zahle meine Steuern und bin Deutschland sehr dankbar für die Chance auf ein neues Leben. Ich würde zum Beispiel nie unangemeldet arbeiten – niemals.


Welche Ziele hast Du für die Zukunft?

Ich würde gerne für Siemens im Ausland arbeiten. Ich spreche arabisch, das ist ein großer Vorteil bei Aufträgen im Nahen Osten. Für die Auslandsarbeit bräuchte ich aber einen deutschen Pass. Mit meinem blauen Flüchtlingspass geht das nicht.


Warum bist Du in die IG Metall eingetreten?

Eine Metallerin aus Mönchengladbach hat mir sehr geholfen: bei Behördengängen, bei der Wohnungssuche, bei Sprachkursen. Die Gewerkschaft gibt Sicherheit und bietet Unterstützung.

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