Rente
Fehler im System: Warum die Rentenkasse eigentlich viel voller ist

Der Staat zahlt der Rentenversicherung immer höhere Zuschüsse. Aber ist die Rente deshalb marode? Eben nicht! Denn die Rentenkasse zahlt auch Dinge, die eigentlich alle Steuerzahler finanzieren sollten, nicht nur Beitragszahler. Ein Finanzcheck.


Milliardenbeträge in dreistelliger Höhe: Das sind die Summen, die von den Rentenkassen Jahr für Jahr bewegt werden. 2023 lagen die Gesamteinnahmen der Deutschen Rentenversicherung (DRV) bei 381 Milliarden Euro.

Die Rente spielt damit in einer Liga mit dem gesamten Bundeshaushalt. Trotzdem scheint das Geld nie zu reichen. Die Finanzlage der Rentenversicherung ist ein Dauerthema in Politik und Medien.

Kritiker der gesetzlichen Rente verweisen dabei immer wieder auf die Zuschüsse, die der Bund in die Rentenkasse zahlt.

Tatsächlich geht es auch bei diesen Zuschüssen um gewaltige Summen. Im Jahr 2023 flossen insgesamt rund 112 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt an die Rentenversicherung.

Die Botschaft, die manche daraus ableiten: Ein System, das regelmäßig derart hohe Unterstützung benötigt, kann nicht gesund sein. Auf diese Aussage folgen meist Forderungen nach Rentenkürzungen, höherem Rentenalter, mehr Privatvorsorge.

Mit dem stetig steigenden Bundeszuschuss lassen sich gut Schlagzeilen machen – und Stimmung gegen das Umlagesystem der gesetzlichen Rente.

Doch was ist dran an dieser Kritik?


Trügerische Zahlen

Zunächst sollte man sich an eine Grundregel im Umgang mit Zahlen erinnern: Eine Zahl allein sagt meistens wenig aus. Es kommt auf den Zusammenhang an, auf die Relation.

Bedeutet: Die konkrete Zahl – also der Bundeszuschuss von zuletzt 112 Milliarden – verrät kaum etwas über die Finanzstärke der Rentenversicherung. Aufschlussreicher ist es, sich anzuschauen, welchen Anteil an den Gesamtausgaben der Rentenversicherung der Bund mit seinem Zuschuss abdeckt.

Hier zeigt sich: Dieser Anteil ist seit 20 Jahren weitgehend konstant. Die Behauptung, dass die Rentenversicherung immer mehr zu einem Zuschussgeschäft verkommt, ist also falsch.

Noch stärker relativiert sich die Höhe des Bundeszuschusses, wenn man sie ins Verhältnis zur Wirtschaftskraft setzt.

Denn auch wenn der Zuschuss in absoluten Zahlen steigt (was schon allein wegen der Inflation wenig überraschend ist): Im Vergleich zur Wirtschaftsleistung hat sich der Zuschuss in den vergangenen 15 Jahren deutlich verkleinert. Im Jahr 2009 unterstützte der Bund die gesetzliche Rente mit rund 3,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Im Jahr 2022 waren es noch 2,8 Prozent des BIP.

Auch hier zeigt sich: Von einem „Ausufern“ der Kosten kann mit Blick auf die deutsche Wirtschaftskraft keine Rede sein.

So viel zu den reinen Zahlen.


Leistung ohne Beitrag

Daneben gibt es aber noch einen viel wichtigeren Grund, warum die Rentenzuschüsse aus dem Bundeshaushalt gerechtfertigt sind – und vielleicht sogar zu niedrig. Der Grund versteckt sich hinter dem sperrigen Ausdruck „versicherungsfremde Leistungen“.

Was ist damit gemeint?

Vereinfacht gesagt: Es geht um Dinge, die die Rentenversicherung finanziert, obwohl dafür nie Rentenbeiträge eingezahlt wurden.

Ein Beispiel ist die sogenannte „Mütterrente“ – also Rentenansprüche, die durch Zeiten der Kindererziehung erworben werden. In diesen Zeiten zahlen Eltern keine Beiträge in die Rentenkasse. Ihre Rente erhöht sich dennoch.

Von solchen „nicht beitragsgedeckten“ Leistungen gibt es eine ganze Reihe. Viele davon sind wichtig und sinnvoll. Denn sie sorgen für soziale Gerechtigkeit und Absicherung. Auch die Grundrente gehört zu diesen Leistungen – eine wichtige Unterstützung für Menschen, die lange gearbeitet aber wenig verdient haben.

Der Knackpunkt ist: Solche Leistungen sind Aufgabe der gesamten Gesellschaft und nicht nur der Beitragszahler. Also sollten sie auch von der Gemeinschaft aller Steuerzahlenden finanziert werden. Genau dazu dient der Bundeszuschuss, der ja aus Steuermitteln stammt.


Rentenkasse im Minus

Die Frage ist also nicht, ob der Zuschuss berechtigt ist. Sondern eigentlich nur, ob er groß genug ist – nämlich so groß, dass er für alle „nicht beitragsgedeckten“ Leistungen reicht. Und hier wird es kompliziert.

Denn eine allgemein anerkannte Definition dieser Leistungen gibt es nicht. Die Rentenversicherung selbst arbeitet mit zwei verschiedenen Maßstäben.

Nach der engeren Berechnungsweise beliefen sich die „versicherungsfremden Leistungen“ 2020 auf rund 63 Milliarden Euro. Nach der weiter gefassten Definition waren es über 112 Milliarden. Dem standen Bundeszuschüsse von rund 75 Milliarden Euro gegenüber.

Im ungünstigsten Fall lagen die Zuschüsse also um 37 Milliarden niedriger als die tatsächlichen Ausgaben. Die Rentenversicherung wäre unterm Strich deutlich im Minus. Experten sagen, dass genau das der Fall ist.

Es ist also ziemlich wahrscheinlich, dass die Beitragszahler – die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten – Aufgaben der Allgemeinheit finanzieren. Aufgaben, die eigentlich auf alle Steuerzahler verteilt werden sollten. Auch auf diejenigen, die nicht in die Rente einzahlen, weil sie zum Beispiel Beamte sind oder Selbstständige. Bei einer gerechten Finanzierung der Aufgaben wäre die Rentenkasse viel voller.

Darum sollte sich die Debatte drehen. Und nicht um unseriöse Zahlenspielerei, die nur dem Schlechtmachen der gesetzlichen Rente dient.

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