Zukunft der Rente
Keine Angst vorm Demografie-Monster!

Die gesetzliche Rente wird seit Jahrzehnten totgesagt. Dabei haben sich Horror-Prognosen immer wieder als falsch herausgestellt. Warum die Rentenversicherung stabiler ist, als viele glauben – und wie wir sie dauerhaft zukunftsfest machen.

23. Februar 202423. 2. 2024


Zugegeben: Mit der Mathematik kann man nicht verhandeln. Zahlen sind Tatsachen. Und dass die Zahl der Rentnerinnen und Rentner in Deutschland steigt, ist Fakt. Genauso wie die logische Folge: Zusätzliche Ausgaben für die gesetzliche Rentenversicherung.

Doch jetzt kommt das große „Aber“: Dass die Rente deshalb vor dem „Kollaps“ stehe, wie Wirtschaftslobbyisten gerne behaupten, gehört nicht mehr in den Bereich der Mathematik. Hier wird’s politisch.

Klar: Das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentnern ist eine wichtige Kennzahl für die Finanzierung der Rente. Doch Horror-Prognosen zur Überalterung des Landes haben sich immer wieder als falsch erwiesen. Manche wirken aus heutiger Sicht fast absurd.

Schon 1985 titelte der „Spiegel“ mit dem Thema „Renten in Gefahr“. Das Magazin-Cover zeigte dazu einen gebeugten jungen Mann, der unter der „zu großen Last“ der Alten fast zusammenbricht.

Nochmal zur Erinnerung: Das war 1985! Seitdem hat die gesetzliche Rente Generationen von Rentnerinnern und Rentnern zuverlässig abgesichert. Der Beitragssatz zur gesetzlichen Rente ist heute sogar niedriger als Mitte der 1980er Jahre.

Die Rücklagen der Rentenversicherung haben zuletzt Höchststände erreicht. Der Anteil des Bundeszuschusses an den Gesamtausgaben der Rentenversicherung ist seit 20 Jahren weitgehend konstant – und geringer als bei Einführung des Umlagesystems Ende der 1950er Jahre.


Renten-Prognose mit Tücken

Auch amtliche Vorausberechnungen erweisen sich immer wieder als korrekturbedürftig.

Das Statistische Bundesamt errechnet regelmäßig, wie sich die Bevölkerung in Deutschland voraussichtlich entwickeln wird. 2015 erwarteten die Statistiker noch, dass im Jahr 2060 auf 100 Menschen im Erwerbsalter 55 Menschen im Rentenalter kommen.

In den Folgejahren korrigierten sie diese Zahl mehrmals nach unten. Die neueste Projektion geht von 45 Rentenempfängern pro 100 Erwerbsfähigen im Jahr 2060 aus.

Gründe für die Anpassung: Stabile Geburtenrate, höhere Zuwanderung, geringerer Zuwachs bei der Lebenserwartung.


Totgesagte leben länger

Was bedeutet das alles? Es bedeutet vor allem: Vorsicht bei vermeintlichen Gewissheiten! Prognosen sind immer unsicher – und müssen der veränderten Realität regelmäßig angepasst werden.

Für die Rente heißt das: Katastrophenszenarien sind unangebracht. Wer behauptet, die Rentenversicherung steuere mit mathematischer Gewissheit auf den Kollaps zu, der handelt mindestens unseriös.

Oft stehen hinter solchen Aussagen wirtschaftliche Interessen: Die Arbeitgeber wollen die gesetzliche Rente am liebsten kurz und klein kürzen –  und die Menschen damit zu privater Altersvorsorge zwingen. Denn die Privatvorsorge zahlen die Beschäftigten alleine. Die gesetzliche Rente finanzieren die Arbeitgeber mit.


Die Rente ist zu retten

Ja, die Alterung der Gesellschaft ist ein Fakt. Und ja: Sie ist eine Herausforderung für die umlagefinanzierte Rente. Die Herausforderung ist aber nicht neu und konnte bisher immer bewältigt werden.

Auch jetzt gibt es Lösungen.

Entscheidend ist der Arbeitsmarkt: Ein Anstieg der Beschäftigung, etwa bei den Frauen, würde helfen. Frauen hängen oft in der Teilzeitfalle – auch, weil es an Kinderbetreuung fehlt. Zuwanderung kann helfen. Gute Löhne stärken die Rentenversicherung.

Eine Reform ist trotzdem überfällig: Der Umbau der Rentenversicherung zu einem echten Solidarsystem, in das alle Beschäftigten einzahlen. Auch Beamte, Freiberufler und Selbstständige, die neu in ihren Beruf starten. Das schafft mittelfristig einen Finanzpuffer für die Zeit, in der die Babyboomer im Ruhestand sind.

Auch moderate Beitragssteigerungen sollten kein Tabu sein. Selbst für die junge Generation ist das deutlich billiger und sicherer, als mit teuren Privatverträgen den politisch erzeugten Rentenlücken hinterher zu sparen. Die gesetzliche Rente radikal zu beschneiden: Gerade für die Jungen wäre das – bildlich gesprochen – ein Selbstmord aus Angst vor dem Tod.

Rentenreformen sind nötig. Aber eben auch möglich. Im öffentlichen Katastrophengeheul geht das oft unter. Mit dem „Demografie-Monster“ lassen eben schneller Schlagzeilen machen als mit sachlichen Vorschlägen für eine solide Rentenpolitik.

Im Interesse der heutigen und künftigen Rentnerinnen und Rentner ist das nicht.

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