Stromnetz-Leitungsbau
7500 Kilometer für die Energiewende – aber wer baut sie?

Deutschland will die Energiewende. Doch es hängt am Netz. 7500 Kilometer Leitungen müssen neu gebaut oder verstärkt werden, um etwa Windstrom von der Küste nach Süden zu bringen. Doch von wem? Erst hing es an den Genehmigungen. Und jetzt finden die Freileitungsbauer nicht genug Leute.

28. Juni 202228. 6. 2022


Sie sind tagelang weg von zu Hause, auf Montage, auf hundert Meter hohen Masten. Und die Leitungen, die sie ziehen, werden immer dicker. 7500 Kilometer Leitungen müssen sie neu bauen oder verstärken, damit die Energiewende in Deutschland gelingt, damit etwa der Strom von den Offshore-Windkraftanlagen an der Küste in den Süden kommt. Zu den Übertragungsleitungen kommen noch über 10 000 Kilometer Versorgungsleitungen – Hoch-, Mittel- und Niederspannung.

Das ist seit Jahren bekannt. Bereits jetzt ist das Stromnetz am Limit, täglich gibt es rund 5000 Störungen.
 

Netzausbau hing über Jahre an Genehmigungen

Dennoch hängt der Netzausbau hinterher. Weil sich die Genehmigungsverfahren oft über Jahre hinschleppten, weil Bürgerinitiativen sich in den Weg stellten und klagten. Erneuerbare Energien ja, aber Strommasten wollen wir nicht. Das führte dazu, dass die eigentlich dringend benötigten Leitungsbauer in der Luft hingen.

„Wir waren in der Hand von Finanzinvestoren, die alles nur auf Verschleiß gefahren und nichts mehr investiert haben. Unsere Belegschaft ist von fast 250 auf heute 113 geschrumpft“, erklärt Matthias Cornely, Betriebsratsvorsitzender beim Freileitungsbauer SPIE SAG am Standort Montabaur in Rheinland-Pfalz. „Mittlerweile ist in den Köpfen angekommen, dass der Strom irgendwie transportiert werden muss. Wir wurden vom französischen Technikdienstleister SPIE gekauft, der wieder investiert. Und wir haben Arbeit ohne Ende.“
 

Leitungsbauer finden kaum Leute – Montagearbeit unattraktiv

Es läuft. Die Genehmigungsverfahren gehen schneller. Endlich. Doch jetzt fehlen ihnen die Leute, in Montabaur mindestens 50, um die Arbeit zu bewältigen. Aber Sie finden nur schwer Personal – und kaum Auszubildende. Und viele gehen wieder.

Klar: Die Montagearbeit ist hart – und für viele nicht attraktiv. Dabei zahlt SPIE SAG sogar den vollen Metall-Tarif, mit allen Sonderzahlungen. Die Betriebsräte haben eine Top-Betriebsrente ausgehandelt. Zudem hat der Betriebsrat in Montabaur eine 4-Tage-Woche mit dem Arbeitgeber vereinbart. Dennoch reicht es nicht, um genug Personal zu gewinnen.

Die Arbeitsbedingungen für die Monteure müssen besser werden. Deshalb verhandelt die IG Metall bei SPIE SAG gerade über einen Tarifvertrag mit besseren Bedingungen für die Montagearbeit. Früher gab es den Bundesmontagetarifvertrag, mit Zuschlägen für Montagearbeit. Doch den haben die Arbeitgeber 2004 gekündigt.

„Wir brauchen da dringend wieder etwas Neues – doch unsere Firma sieht wie in vielen Dingen mal wieder nur die Kosten“, kritisiert der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates der SPIE SAG Bernd Mittler. „Wir versuchen ihnen klar zu machen, dass wir den Monteursjob wieder attraktiver machen müssen, damit wir auch in der Zukunft genügend Monteure an Bord haben, um die Aufträge der Energiewende stemmen zu können. Die Wiedereinführung eines Montagezuschlags wäre ein großer Schritt in die richtige Richtung.“

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Freileitungsbauer von SPIE SAG Montabaur auf Montage (Foto: privat)
 

Mehr Personal nur mit Tarif zu besseren Montagebedingungen

Doch die Tarifverhandlungen bei SPIE SAG ziehen sich. Es ist schwierig, berichtet Ilko Vehlow, Unternehmensbeauftragter und Verhandlungsführer der IG Metall. „Das Unternehmen muss endlich verstehen, dass Personalmangel auch damit bekämpft werden kann, wenn per Tarifvertrag auch die Montageregelungen attraktiver werden.“

Bei LTB Leitungsbau mit Hauptsitz in Radebeul/Sachsen haben sie das bereits mit der IG Metall geschafft – und vor gut zwei Jahren bessere Bedingungen für die Montage in einem Firmentarifvertrag durchgesetzt, mit Fahrgeldern und Zuschlägen für Verpflegung. Auf das Stundenentgelt nach Metall-Tarif kommen noch einmal Zulagen für Erschwernisse von bis zwei Euro in der Stunde obendrauf, für die Arbeit auf dem Mast, Hitze oder Kälte oder Schweißarbeiten.

Und dennoch finden sie auch bei LTB immer noch nicht genug Leute. Sie sind auf Leihbeschäftigte aus Polen und Kroatien angewiesen.

„Bei uns herrscht gerade absoluter Personalmangel, wir können die Arbeit kaum bewältigen“, erklärt LTB-Betriebsrat Jürgen Zenker. „Du findest auf dem deutschen Arbeitsmarkt kaum jemanden, der hunderte Kilometer zu Baustellen auf Montage fahren will.“

Bessere Montagebedingungen gibt’s nur mit der IG Metall

Die Politik kann da aus Zenkers Sicht nur bedingt etwas verbessern. „Die Genehmigungsverfahren gehen mittlerweile schneller. Das haben wir ja seit Jahren eingefordert: Wenn man die Energiewende will, muss man auch Leitungen akzeptieren. Aber mehr Arbeitskräfte kann uns die Politik auch nicht so einfach bescheren.“

Das geht nur über bessere Arbeitsbedingungen. Aber da hat auch der Arbeitgeber LTB offenbar immer noch nicht genug dazugelernt: Den letzten Metall-Tarifabschluss mit dem neuen Transformationsgeld (T-Geld, 27,6 Prozent vom Monatsentgelt im Februar) wollte LTB nicht übernehmen. „Die Arbeitgeber haben immer noch nicht verstanden, dass Montagearbeit attraktiver gemacht werden muss“, kritisiert Zenker. „Das schaffen wir nur mit der IG Metall.“

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