2004 wurde die Handwerksordnung letztmalig novelliert. Damals fiel für viele Berufe die Notwendigkeit eines Meisterbriefes weg. Die Zahl der meisterpflichtigen Handwerksberufe, bei denen der Meisterbrief weiterhin Voraussetzung ist, um einen Handwerkbetrieb zu eröffnen und zu führen, sank auf 41. Jetzt gibt es Vorstöße von Seiten der Politik, die Aufhebung der Meisterpflicht für einige Berufe wieder rückgängig zu machen. Die Argumente: Die Qualität der Arbeit hat nachgelassen und es wird weniger Nachwuchs ausgebildet. Die Zahl der Auszubildenden in allen Handwerksberufen ist seit 2003 von 500 000 auf 365 000 zurückgegangen.
Viele halten die Abschaffung der Meisterpflicht für insgesamt 53 Berufe inzwischen für einen Fehler. Im Organisationsbereich der IG Metall sind 36 Handwerksberufe davon betroffen. So braucht man beispielsweise als Rollladen- und Sonnenschutztechniker, Parkettleger oder Behälter- und Apparatebauer keinen Meistertitel mehr, um einen Betrieb zu eröffnen. Auch ein Raumausstatter muss weder eine Gesellenprüfung noch eine Meisterprüfung ablegen, um sich selbständig zu machen. Dies hat dazu geführt, dass die Anzahl der Raumausstatter-Betriebe seit 2003 von 8 743 auf 28 480 im Jahr 2017 gestiegen ist, viele davon soloselbständig ohne jegliche Berufsqualifikation. Gleichzeitig ist die Anzahl der Auszubildenden in diesem Beruf um 38 Prozent gesunken.
Meister als Zugangsvoraussetzung
„Viele Berufe und Branchen mit ihren Beschäftigten würden eindeutig davon profitieren, wenn die Meisterpflicht wieder eingeführt wird“, sagt IG Metall-Vorstandsmitglied Ralf Kutzner. „Die IG Metall begrüßt deshalb die Initiative, darüber zu diskutieren, die Meisterqualifikation als Zulassungsvoraussetzung für einige Berufe wieder einzuführen.“ Bundestag und Bundeswirtschaftsministerium befassen sich nun im Rahmen eines Prüfauftrags mit dem Thema Wiedereinführung der Meisterpflicht.
Die Debatte um die Wiedereinführung der Meisterpflicht in verschiedenen Berufen ist aber nur eine Herausforderung eines wesentlich komplexeren Strukturwandels. Der Reformbedarf im Handwerk ist wesentlich größer. Um das Handwerk für die Zukunft fit zu machen, müssen auch die Regeln für Soloselbständige auf den Tisch, die sich in Ein-Mann-Betrieben selbständig gemacht haben. Hierzu gehören neben auskömmlichen Honoraren, insbesondere eine verbindliche Altersvorsorge und soziale Absicherung. „Die IG Metall setzt sich dafür ein, dass zur Eindämmung des unfairen Unterbietungswettbewerbs für Soloselbständige ein gesetzlicher Rahmen geschaffen wird, der Mindeststandards regelt“, sagt Kutzner.
Zurückgehende Tarifbindung verstärkt Fachkräftemangel
Das Handwerk erlebt seit mehreren Jahren ein Allzeithoch, das Geschäft brummt bei den meisten Betrieben. Sie klagen über Fachkräftemangel, die Kunden über Wartezeiten von bis zu 13 Wochen. Derzeit fehlen nach Angaben des Zentralverbandes des deutschen Handwerks 200 000 bis 250 000 Gesellinnen und Gesellen. Das Handwerk ist durch zurückgehende Tarifbindung für junge Menschen wenig attraktiv. Nur 30 Prozent der Beschäftigten arbeiten auf Basis von gültigen Tarifverträgen, dies verstärkt den Fachkräftemangel. 2017 konnten 19 000 Ausbildungsplätze im Handwerk nicht besetzt werden und rund zwei Drittel der ausgebildeten Fachkräfte wandern in andere Wirtschaftsbereiche ab.
Um zukünftig genügend Fachkräfte zu gewinnen, müssen Handwerksbetriebe als Arbeitgeber attraktiver werden. Tarifbindung und Sozialpartnerschaft als Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Innungen und ihrer Innungsverbände müssen in der Handwerksordnung gestärkt werden. „Der Gesetzgeber ist gefordert, statt Flickwerk zu fördern, eine breite Zukunftsdebatte für das Handwerk anzustoßen“, erklärt Ralf Kutzner. „Die IG Metall wird sich in die Debatte einbringen und konstruktive Reformvorschläge machen.“