Beschäftigung und Innovation in der Zulieferindustrie sichern
Drei Lichtblicke für Autozulieferer

Coronakrise und Transformation − für viele Autozulieferer ist das zu viel. So drohen Beschäftigungsabbau und Insolvenzen. Doch die IG Metall hat drei Eisen im Feuer, die Beschäftigung und Innovation in der Zulieferindustrie sichern können.

21. Oktober 202021. 10. 2020


Es wirkt paradox. Auf der einen Seite müssen sich die Zulieferer neu erfinden. Die Mobilität der Zukunft ist elektrisch, die Wertschöpfung verschiebt sich. Viele Zulieferer müssen hier erst noch ihren Platz finden, Produkte entwickeln, ihre Produktion umstellen, um ihren Teil vom Kuchen nicht zu verpassen. Auf der anderen Seite dürfen Zulieferer für Verbrennungsmotoren aber ihre bisherige Kernkompetenz nicht einfach von heute auf morgen aufgeben. Teile für Verbrenner werden weltweit noch Jahrzehnte benötigt: für Hybride und bis die reine Elektromobilität komplett ausgerollt ist. Die Autohersteller sind daher auf eine weiterhin verlässliche Versorgung mit der Verbrennertechnologie durch ihre Zulieferer angewiesen.

Als wäre dieser Spagat nicht so schon schwer genug, nun kommt auch noch die Coronakrise hinzu. Der Autoabsatz ist in den vergangenen Monaten dramatisch eingebrochen. Aufträge und Umsatz bleiben somit aus. Unterm Strich führt die Krise zu einem Eigenkapitalverzehr in gigantischem Maße. Geld für Investitionen bleibt nicht übrig. Statt in die Zukunftsaufgaben zu investieren, verlagern einige der Betriebe daher ihre Produktion in Billiglohnländer oder schließen sie ganz. Teils ist ihnen vorzuwerfen, dass sie in den fetten Jahren nicht genug in die Zukunft investiert haben. Wichtige Trends wurden mancherorts sträflich ignoriert, der Umschwung zu alternativen Antrieben zu spät eingeläutet. Teils sind sie aber auch unverschuldet in die Misere geraten. Gerade kleinen und mittleren Betrieben fehlten häufig von Anfang an die Möglichkeiten.


Jeder wegfallende Arbeitsplatz gefährdet die Innovationsfähigkeit

Klar ist aber auch: Jeder Arbeitsplatz der verlegt oder gestrichen wird, kann nicht transformiert werden. Das gefährdet die Zukunft des Industriestandortes Deutschland und seiner Innovationsfähigkeit. Das gefährdet Arbeitsplätze und die Existenzen vieler Familien. Insgesamt arbeiten über 310 000 Beschäftigte in den rund 1800 heimischen Zulieferbetrieben.

Insgesamt hängen nach den Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums über 2,2 Millionen Arbeitsplätze von der Automobilindustrie in Deutschland ab. Die ist mit ihren über 430 Milliarden Euro Umsatz der wichtigste Wirtschaftszweig und eine Schlüsselindustrie des Landes.


IG Metall steht Zulieferern mit drei Vorschlägen zur Seite

„Jetzt müssen die Weichen richtiggestellt werden“, fordert Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall. „Für die IG Metall steht der Erhalt der Industriestrukturen im Mittelpunkt. Industrie ist nicht nur Motor für Innovation und Beschäftigung, die guten Entgelte sind auch der Nährboden unseres Wohlstandes. Dörrt dieser aus, bricht eine wichtige Basis zur Bewältigung des Klimawandels weg“, so Hofmann.

Um die Transformation in der Automobilindustrie und insbesondere bei den Zulieferbetrieben zu stemmen und zu gestalten, hat die IG Metall Vorschläge unterbreitet, die drei Elemente enthalten: einen Transformationsfonds, die Best Owner Group und die Förderung von regionalen Transformationsclustern.


Ein Transformationsfonds soll mit staatlichem und privatem Kapital unterstützen

Der Transformationsfonds soll Zulieferern privates Kapital zur Eigenkapitalstützung zur Verfügung stellen. Ein solcher Fonds kann die finanzielle Lage stabilisieren, die Unternehmen vor Insolvenzen sichern und Chancen für Innovationen und Investitionen in neue Geschäftsmodelle und die hierfür notwendigen Investitionen in Entwicklung, Sachanlagen und Qualifikation ihrer Beschäftigten eröffnen.

Gespeist werden könnten Transformationsfonds aus Mitteln der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder des Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (KENFO) zu marktüblichen Konditionen. Wenn der Staat oder die KfW die Erstrisiken des Fonds bis zu einer bestimmten Höhe übernehmen, könnte der Fonds auch interessant für andere institutionelle Investoren werden, die eine nachhaltige Industrieentwicklung mit ihrem Engagement unterstützen wollen. Auch die Fahrzeughersteller sind hier nach Auffassung der IG Metall in der Pflicht, sich hier finanziell zu engagieren.


Best Owner Group kann geregeltes Auslaufen der Verbrennertechnologie ermöglichen

Bei der Best Owner Group (BOG) geht es um Mehrheitsbeteiligungen und Übernahmen von Zulieferbetrieben, die am Verbrenner hängen und die sich absehbar verkleinern müssen, da sie keine Produktalternativen haben. Doch selbst wenn der Verbrenner irgendwann einmal Geschichte sein sollte, gibt es noch über viele Jahre hinweg einen nachlaufenden Ersatzteilbedarf. Mit dem Kapital aus Pensionskassen, Versicherungen, Family Offices und Unternehmen, die im Rahmen dieses Modells bei der BOG einsteigen, werden die Zulieferer bis zum Auslaufen der Produktion von Verbrennerteilen professionell begleitet. Dabei sind die Betriebe gewinnbringend, denn viele Gemein- und Entwicklungskosten sowie Neuinvestitionen fallen weg.

Eine Transformation der Belegschaft kann so zum Beispiel über einen langen Zeitraum sozialverträglich geplant, Beschäftigte können für zukunftsfähige Tätigkeiten qualifiziert werden. Auch bei der BOG sind die OEMs, also die Hersteller, als Kunden der Zulieferer in der Pflicht. Sie sollen sich mit entsprechenden Mitteln in den Fonds einbringen und langfristige Abnahmeverträge garantieren. Zusätzlich sollte die Politik auch bei diesem Vorschlag prüfen, ob und wie sie Zugang zu KfW-Mitteln oder KENFO-Mitteln unterstützen, die in den Fonds fließen könnten.


Transformationscluster sollen regionale Wertschöpfungsketten erhalten

Regionale Transformationcluster sind Element einer präventiven Strukturpolitik in Regionen, die überdurchschnittlich von Zulieferbetrieben geprägt sind. Die Transformation birgt die Gefahr, dass erfolgreiche Automobilcluster aus Zulieferern, Dienstleistern, Forschungseinrichtungen und Herstellern zerstört werden - mit gravierenden Folgen für Wertschöpfung und Beschäftigung in diesen Regionen. Voraussetzung für Transformationscluster ist, dass betriebliche und regionale Akteure kooperieren, um Wege zu finden, wie Industriearbeit gesichert werden kann.

Die finanziellen Mittel dafür sollten von Bund und Ländern bereitgestellt werden. Hierzu kann ein Teil der beschlossenen zwei Milliarden Euro zur Förderung von Innovation im Bereich der Zulieferer aus dem im Juni beschlossenen Konjunkturpaket der Bundesregierung eingesetzt werden. Was für den Kohleausstieg galt, gilt hier auch für diese Regionen, die nur durch einen konsequenten Wandel ihrer industriellen Strukturen davor geschützt werden können, zu Armutsregionen zu werden.

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