Bundeshaushalt
Warum die Schuldenbremse dringend eine Reform braucht

Kaputte Straßen, Schienen, Schulen: Deutschland bröckelt. Der Bund müsste viele Milliarden zusätzlich investieren. Doch die Schuldenbremse verhindert das. Wir sollten sie reformieren – auch im Interesse der künftigen Generationen.

18. Dezember 202418. 12. 2024


Die IG Metall setzt sich für eine Reform der Schuldenbremse ein.

Hier erklären wir, warum wir diese Reform fordern – und was genau wir an der Schuldenbremse ändern wollen.


Warum braucht der Staat mehr Geld?

Dazu genügt ein Blick auf den Zustand der öffentlichen Infrastruktur in Deutschland: Kaputtes Schienennetz, einstürzende oder gesperrte Straßenbrücken, Schulen mit undichtem Dach.

Die marode Infrastruktur verursacht hohe wirtschaftliche Schäden: Handwerker und Logistiker müssen lange Umwege fahren, Pendlerinnen verlieren Arbeitszeit, Kinder können nicht unter optimalen Bedingungen lernen.

Deutschland ist viel zu lange auf Verschließ gefahren. Ein gewaltiger Investitionsstau hat sich aufgebaut. Gute Infrastruktur galt einmal als Standortvorteil der Bundesrepublik. Heute wird ihr maroder Zustand von vielen Unternehmen als Minuspunkt genannt.


Wie viel Geld ist nötig?

Auf den Euro genau lässt sich das kaum sagen. Aber es gibt viele Ökonomen, die sich gründlich mit dem Investitionsstau in Deutschland befasst haben. Das gewerkschaftsnahe Institut IMK und das arbeitgeberfinanzierte Institut der deutschen Wirtschaft haben dazu 2024 eine Studie vorgelegt.

Demnach braucht Deutschland in den kommenden zehn Jahren jedes Jahr zusätzliche Investitionen in Höhe von 60 Milliarden Euro – also insgesamt 600 Milliarden Euro.

Diese Summe ist eine Untergrenze. Die Förderung der Dekarbonisierung der Industrie ist dabei nicht berücksichtigt. Weil nachhaltige Geschäftsmodelle im internationalen Vergleich preislich oft noch nicht wettbewerbsfähig sind, sind bestimmte Industriezweige auf Unterstützung angewiesen. Dafür braucht es ebenfalls Geld.


Wofür genau sollte der Staat das zusätzliche Geld ausgeben?

Der wohl größte Posten ist die kommunale Infrastruktur: also die Sanierung des Straßen- und Schienennetzes und der Schulen und der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs.

Hinzu kommt die Entlastung der Industrie und die Förderung von Klimaschutz- und Energiesparmaßnahmen.


Lohnen sich staatliche Investitionen?

Ja. Dass sich öffentliche Investitionen rentieren, zeigen vielen Studien. Mit einer modernen Infrastruktur kommen Handwerker schneller zu ihren Kunden, Beschäftigte schneller zur Arbeit. Mit verlässlicher Kita-Betreuung haben Eltern weniger Fehltage oder können ihre Arbeitszeit erhöhen. Investitionen in Bildung haben eine hohe Rendite: Menschen können später höher qualifizierte Jobs ausüben und sind produktiver.

Kreditfinanzierte Zukunftsinvestitionen sichern den Wohlstand von Morgen. Weil sie das Wirtschaftswachstum ankurbeln, finanzieren sie sich zu einem guten Teil selbst.

Umgekehrt gilt: Bleiben die nötigen Investitionen aus, tragen künftige Generationen die Folgen von maroder Infrastruktur, Umweltproblemen, einem schwächeren Wachstum und dem Verlust von Industriearbeitsplätzen.


Investitionen sind OK – aber warum müssen wir dafür die Schuldenbremse reformieren?

Weil der Investitionsbedarf so groß ist, dass er sich aus dem normalen Bundeshaushalt nicht bezahlen lässt. Dafür braucht es Kredite. Die Schuldenbremse lässt aber nur sehr begrenzte Kreditaufnahme zu. Sie legt dem Staat unnötig Fesseln an.

Auch die Sachverständigenrat – besser bekannt als die „Wirtschaftsweisen“ – spricht sich für eine Reform der Schuldenbremse aus. Ebenso der Internationale Währungsfonds (IWF).

Die Welt hat sich seit Einführung der Schuldenbremse radikal verändert. Deshalb sollte sich auch die Finanzpolitik ändern.


Was genau sollte an der Schuldenbremse reformiert werden?

Die IG Metall will die Schuldenbremse mit einer sogenannten „Goldenen Regel“ neu aufstellen. Goldene Regel bedeutet: Der Staat darf Schulden aufnehmen, um damit in die Zukunft zu investieren. Die Goldene Regel entspricht der Logik, die auch Unternehmen anwenden: Sie nutzen für Investitionen Fremdkapital, also Kredite. Mit den Erträgen der Investition lassen sich die Kredite zurückzahlen.


Sind höhere Staatsschulden nicht gefährlich?

Ob der Schuldenstand eines Staates als bedenklich gilt, zeigen die Zinsen, die ein Land für neue Kredite bezahlen muss. Deutschland muss für Kredite sehr geringe Zinsen zahlen. Es hat am Kapitalmarkt eine hohe Kreditwürdigkeit. Anders gesagt: Die Akteure an den Finanzmärkten sind sich weitgehend einig, dass Deutschland seine Schulden gut tragen kann.

Kein Wunder: Im internationalen Vergleich ist der deutsche Schuldenstand moderat. Länder wie die USA oder Japan haben eine viel höhere Staatsverschuldung.

Das heißt natürlich nicht, dass Deutschland maßlos Schulden machen sollte. Es bedeutet aber: Deutschland hat finanziellen Spielraum. Den sollten wir nutzen.


Belasten zusätzliche Schulden die junge Generation?

Nur, wenn das Geld für die falschen Dinge ausgegeben wird. Kreditfinanzierte Investitionen in die Infrastruktur nützen den künftigen Generationen. Sie schaffen die Voraussetzung für den Wohlstand von morgen.

Ein heruntergewirtschaftetes Land mit maroder Infrastruktur zu erben – das wäre für die junge Generation eine weit größere Belastung als ein etwas höherer Schuldenstand.

Außerdem gilt: Der Schuldenstand eines Landes wird immer im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung gemessen. Investitionen schaffen Wirtschaftswachstum. Dadurch relativiert sich die Staatsverschuldung.


Was machen andere Länder?

Gemessen an seiner Wirtschaftskraft investiert Deutschland weiterhin unter dem EU-Durchschnitt in seine öffentliche Infrastruktur. Der Modernitätsgrad von Schienennetz, Wasserstraßen und Fernstraßen sinkt. Die öffentliche Infrastruktur verliert weiter an Wert.


Fazit: In ihrer heutigen Form ist die Schuldenbremse eine Zukunftsbremse. An einer Reform führt kaum ein Weg vorbei, wenn wir Deutschland in den kommenden Jahren solide aufstellen wollen.

 Mehr Infos: Alle Vorschläge der IG Metall zum Thema Wirtschaft und Finanzen gibt es hier.


 

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