Tarifverträge fallen nicht vom Himmel. Sie müssen erkämpft werden. Unser neues Buch „Schwarz oder Weiß“ zeigt an Beispielen aus sieben Betrieben, wie Beschäftigte mit Hilfe der IG Metall ihre Tarifbindung durchgesetzt haben.
HanseYachts AG
Beim Luxusjachtenbauer HanseYachts AG in Greifswald waren die Arbeitsbedingungen gar nicht Luxus: 9,50 Euro in der Stunde, 24 Tage Urlaub, 44 Stunden arbeiten in der Woche. Und der Chef hat alles allein entschieden. Unzufriedenheit und Resignation machten sich in der Belegschaft breit. Viele wollten eigentlich nur noch weg, doch dann haben die Beschäftigten beschlossen, sich zusammenzuraufen und gemeinsam für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen einzustehen. Sie organisierten sich in der IG Metall und wählten eine Tarifkommission. Heute gibt es einen Betriebsrat und seit 2015 einen Haustarifvertrag. Seither stiegen die Entgelte jedes Jahr zwischen 4,5 und 6 Prozent. Ab 2020 gibt es 28 Tage Urlaub.
IMA Klessmann GmbH
Bei der IMA Klessmann GmbH, einem Holzbearbeiter aus Lübbecke, hatte die Belegschaft über zehn Jahre Opfer gebracht und verzichtet, um zur Sanierung des Unternehmens beizutragen. Als dann ein neuer Arbeitgeber das Ruder übernahm, wollte der sich seiner Verantwortung durch Tarifflucht entziehen. Das bedeutet: Austritt aus dem Arbeitgeberverband und dem Flächentarif. Aber er hatte die Rechnung ohne die Beschäftigten gemacht. Nun war Schluss mit lustig, es begann ein Kräftemessen, das in einem sechstägigen Erzwingungsstreik mündete. Schließlich sah sich der Arbeitgeber gezwungen nachzugeben. Der entscheidende Trumpf: Die zahlreichen aktiven IG Metall-Vertrauensleute in der Belegschaft, die alle Beschäftigten im Betrieb vernetzten, informierten und Meinungen einholten. Der neue Tarifvertrag führt die Beschäftigten nun bis Ende 2019 an den Flächentarif der Holzindustrie heran.
Ficosa International GmbH
Beim Automobilzulieferer Ficosa International GmbH in Wolfenbüttel trat die Arbeitgeberin aus dem Verband aus, weil sie das Entgeltrahmenabkommen (ERA) des Arbeitgeberverbands und uns nicht einführen wollte. Zudem sollten die Beschäftigten fünf Stunden mehr arbeiten, teilweise ohne Bezahlung, und auf Weihnachts- und Urlaubsgeld verzichten. Auch hier hielt die Belegschaft zusammen, trat Ende November 2016 in mehrerer Schichten in den Warnstreik und kämpfte sich so die Tarifbindung zurück. In Schritten steigen seither die und die Arbeitszeit sinkt. Die Arbeitgeberin hat zugesagt, zum 1. Januar 2019 wieder in den Arbeitgeberverband einzutreten.
Technify Motors GmbH
Ganz anders gelagert war der Fall beim sächsischen Flugzeugmotorenbauer Technify Motors GmbH. Das Unternehmen war 2013 durch eine Insolvenz gegangen. Statt einheitlicher Tarife für alle gab es hier Löhne „nach Nase“, mal mehr ― mal weniger. Der neue ausländische Investor hielt von Mitbestimmung und Tarifvertrag zunächst nicht viel. Aber durch viel Aufklärungsarbeit, eine gut organisierte Belegschaft und eine große Portion Entschlossenheit gelang es schließlich auch hier, einen Tarifvertrag durchzusetzen. Die Beschäftigten haben dadurch bis zu 1 000 Euro mehr im Monat.
Metalguss Schiefelbusch GmbH
Bei der Metallguss Schiefelbusch GmbH in Stahlhofen am Wiesensee gab es jahrelang kaum Lohnerhöhungen. Die Entgelte lagen 22,5 Prozent unter dem Metalltarif. Das gemeinsame, entschlossene Handeln hat hier zu einem neuen Selbstbewusstsein der Belegschaft geführt. So wären die 150 Beschäftigten nach erfolgten Warnstreiks auch in den unbefristeten Erzwingungsstreik gegangen, wenn dies notwendig gewesen wäre. Das hat wohl auch die Arbeitgeberin so gesehen. Um den Konflikt nicht unnötig weiter eskalieren lassen, unterzeichnete sie Anfang 2018 einen Tarifvertrag mit uns. In diesem Jahr haben die Beschäftigten dadurch bereits 1 500 Euro mehr. Bis 2020 steigt das Entgelt schrittweise auf Metall-Tarif. Bis 2025 gibt es dann stufenweise auch Metall-Tarif beim Urlaub und bei der Arbeitszeit.
Rhenus AL GmbH
Beim Logistiker Rhenus AL GmbH in Regensburg nutzten die Beschäftigten den Schwung aus der Metall-Tarifrunde 2016, um in einen Haustarifvertrag durchzusetzen. Seither erhöhten sich die Löhne um rund 25 Prozent mehr Lohn, aus 25 Tagen Urlaub werden ab nächstem Jahr 30 Tage, die Arbeitszeit sank von 40 auf 38 Stunden. Und: Leiharbeiter erhalten den gleichen Lohn wie die Stammbeschäftigten. Der Schlüssel zum Erfolg war auch hier, dass sich die Belegschaft in der IG Metall organisiert und die zusammengehalten hat.
science computing
Bei science computing, einem IT-Dienstleister aus Tübingen, erstritten die Beschäftigten In einem schwierigen Umfeld im Frühjahr 2018 innerhalb kürzester Zeit ein Tarifvertrag. Er ersetzte die bisherige Willkür bei der Bezahlung ― teilweise 30 Prozent unter unserem Rahmentarif IT ― durch ein faires, transparentes Entgeltsystem. Die Gehälter steigen in den nächsten drei Jahren teilweise um mehr als 30 Prozent. Der Durchbruch gelang hier, als die Beschäftigten mit Streik drohten. Das hatte der Arbeitgeber von den IT-Spzezialisten wohl nicht erwartet.
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