VW-Tochter Moia
Arbeitgeber erklärte Verhandlungen für gescheitert – IG Metall reagiert mit Warnstreik

Beschäftigte des Fahrdienstleisters Moia weiten Warnstreiks aus: Die Arbeitgeber weigern sich am Verhandlungstisch weiter über einen Tarifvertrag zu verhandeln. Dabei ist Moia VW-Tochter und zum Teil bereits an den Öffentlichen Verkehrsverbund angegliedert. Auch Fördergelder vom Bund fließen.

15. November 202315. 11. 2023


Ein Glied in der VW-Konzernkette ohne Tarif – eigentlich kaum denkbar. Der Volkswagen-Konzern gilt als Musterbeispiel für gewerkschaftlichen Einfluss auf gute Löhne und Arbeitsbedingungen in Deutschland. Bei Moia, einer 100-prozentigen Tochterfirma von VW, wehrt sich die Geschäftsführung nicht nur vehement gegen einen Tarifvertrag, auch die Arbeitsbedingungen werden immer wieder von Politik, Medien und insbesondere der IG Metall stark kritisiert.

Die IG Metall fordert als Sofortmaßnahme 5,2 Prozent mehr Geld für die 1200 Beschäftigten und eine weitere Inflationsausgleichsprämie. Es soll ein Haustarifvertrag geschlossen werden, der sich an den Regelungen der Volkswagen-Tochter Volkswagen Group Services orientiert. Nach der zweiten Verhandlungsrunde Mitte September erklärten die Arbeitgeber die Verhandlungen für gescheitert. Das Unternehmen schweigt seitdem zu weiteren Verhandlungen, drohte der IG Metall aber mit Standortschließungen und Personalabbau. Auch wurde und wird immer wieder Druck auf die Beschäftigten ausgeübt, wenn sie sich sichtbar gewerkschaftlich engagieren.
 

Wut unter Beschäftigten groß

Hunderte Beschäftigte des Ridepooling-Anbieters kamen deshalb am vergangenen Freitag am Jungfernstieg in Hamburg zu einem Warnstreik zusammen, um für bessere Löhne und einen Tarifvertrag einzutreten. „Große Verantwortung – wenig Geld – mit uns nicht mehr!“ stand treffend auf einem Transparent, das Teilnehmer hochhielten. Die Fahrerinnen und Fahrer bei Moia in Hamburg und Hannover verdienen nur knapp über dem Mindestlohn – 13 Euro die Stunde. „Wir haben als Fahrer Menschenleben in unserer Hand“, sagt Bernd Kühn, Betriebsratsvorsitzender bei Moia in Hannover. „Das heißt, wir übernehmen viel Verantwortung – das muss die Geschäftsführung jetzt auch für ihre Beschäftigten tun.“ Fahrer von Bussen und Bahnen im Nahverkehr in Hamburg und Hannover verdienen 16 Euro und mehr die Stunde. Mit weniger lässt sich der Unterhalt in einer Großstadt ohne Zweitjob auch nicht bestreiten. Daran muss sich auch Moia messen lassen.

Die Wut ist groß unter den Beschäftigten. Seit sie einen Betriebsrat gegründet haben, kämpfen sie gemeinsam mit der IG Metall für die Tarif-Anbindung. „Das Startup-Unternehmen kassiert Fördermittel vom Staat“, sagt Betriebsratsvorsitzender Peter Alexander aus Hamburg. „Das sind auch unsere Steuergelder.“ Das Unternehmen selbst klage auf der einen Seite immer wieder, keine schwarzen Zahlen zu schreiben und weise sich auf der anderen Seite als Forschungsprojekt aus. Gerade erst erhielt Moia von Bundesverkehrsminister Wissing 8 Millionen aus einem Topf von 26 Millionen für das Gesamtprojekt. „Als Forschungsprojekt für autonomes Fahren werden jetzt natürlich noch nicht die hohen Gewinne eingefahren. Die Fahrer sorgen aber jetzt für die Gewinne von morgen“, sagt Peter.
 

Politiker solidarisieren sich

Die Kleinbus-artigen Sammeltaxis von Moia können per App bestellt werden. Sie holen den Fahrgast an einer virtuellen Haltestelle ab, geben also einen Abholort in der Nähe der Anfrage vor. Alles wird vom Algorithmus bestimmt: vom Fahrplan bis hin zu den Pausen der Fahrerinnen und Fahrer. Ziel des Unternehmens ist es, so viele Daten wie möglich zu sammeln und dann, am liebsten schon in diesem Jahrzehnt, die Busse autonom durch die Städte fahren zu lassen. „Moia sagt, sie wollen die Arbeitsplätze der Fahrer auch nach Einführung der autonomen Fahrsysteme behalten“, sagt Thilo Reusch, Verhandlungsführer der IG Metall in den Verhandlungen zum Tarifvertrag. Auf Versprechen alleine könne man sich nicht verlassen. „Auch zur Beschäftigungssicherung brauchen wir gute Tarifverträge bei Moia.“

Der Gewerkschaftssekretär zeigt sich fassungslos, dass die Geschäftsführung aktuell nicht bereit ist, an den Verhandlungstisch über einen Tarifvertrag zurück zu kommen. „Ich arbeite seit 20 Jahren als Gewerkschafter mit den VW-Konzernstrukturen zusammen. So eine Verweigerung wie im Falle Moia habe ich in all den Jahren noch nicht erlebt“, sagt Thilo. Auch Politikerinnen und Politiker sind bei dem Warnstreik anwesend – von den Grünen, der Linken, der SPD. Sie zeigen sich solidarisch mit den Streikenden. „Unsere Erwartung ist und das haben wir dem Bundesministerium deutlich gemacht und das machen wir heute hier deutlich: Wir müssen mit Moia in Richtung Tarifvertrag und faire Löhne gehen. Es muss darum gehen, dass man anständig mit Menschen, mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern umgeht“, sagte Dirk Kienscherf in Hamburg, Fraktionsvorsitzender der SPD.

„Die Kampfbereitschaft der Beschäftigten ist groß und wächst weiter“, sagt Peter Alexander und auch sein Kollege Bernd Kühn unterstreicht: „Wir kämpfen weiter. Es geht uns darum, dass die Wertigkeit unserer Arbeit anerkannt wird.“ Klar ist den Betriebsräten in Hannover und Hamburg und auch Verhandlungsführer Thilo Reusch: Die Warnstreiks werden intensiviert, sollten die Arbeitgeber nicht zurück an den Verhandlungstisch kommen und sich weiter gegen den Tarifvertrag wehren.

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