Interview der „LVZ“: Jörg Hofmann zur laufenden Tarifrunde
„Es gibt keinen Grund zu jammern“

Die IG Metall fordert in der aktuellen Tarifrunde ein Lohnplus von fünf Prozent und will auch bei tariflosen Betrieben faire Entgelte durchsetzen. „Tarifflucht schützt vor der IG Metall nicht“, sagt der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann im Interview der „Leipziger Volkszeitung“.

15. März 201615. 3. 2016


Die IG Metall fordert in der aktuellen Tarifrunde fünf Prozent mehr Lohn. Metall-Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger spricht von Höhenflügen der Gewerkschaft. Heben Sie ab?

Jörg Hofmann: Für Arbeitgeber kommt jede Forderung nach mehr Lohn zur unpassenden Zeit – sei es bei guter oder bei schlechter Konjunktur. Das ist das übliche Spiel.

Passen fünf Prozent wirklich in die heutige wirtschaftliche Situation?

Es gibt keinen Grund zu jammern. Bis auf wenige Ausnahmen blicken die Unternehmen auf ein glänzendes Jahr mit guten Ergebnissen zurück. Die Aussichten für 2016 sind ebenso. Jetzt ist es an der Zeit, einen Beitrag zu leisten, damit die Konjunktur anhält. Höhere Löhne stärken die Kaufkraft und damit die Binnenkonjunktur.

Rechnen Sie mit einer harten Tarifauseinandersetzung?

Heute beginnen in Leipzig die ersten Tarifaktionen und am Dienstag die Verhandlungen für den Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen. Bis zum Auslaufen der Friedenspflicht vergehen noch fast zwei Monate. Wir werden sehen, ob die Arbeitgeber kompromissbereit sind. Wir sind auf alles vorbereitet, wenn nötig auch auf eine Verschärfung der Auseinandersetzung.

Für viele Betriebe speziell im Osten ist ein hohes Plus schwer zu verkraften.

Auch die Ost-Betriebe stehen zumeist gut da. Fakt ist allerdings, dass wir in den neuen Bundesländern eine schwache Tarifbindung haben. Im Westen liegt sie bei rund 50 Prozent der Betriebe, im Osten bei nur 23 Prozent.

Sind Sie in Sorge, dass sich weitere Betriebe aus der Tarifbindung verabschieden?

Eine Entwicklung wie in den 90er-Jahren wird es nicht mehr geben. In der aktuellen Tarifrunde gehen wir mit unserer Lohnforderung nicht nur auf tarifgebundene Firmen zu. Wir senden das klare Signal aus: Tarifflucht schützt vor der IG Metall nicht. In Leipzig macht es unsere Geschäftsstelle vor, wie es geht. Mit zahlreichen Werkvertragsunternehmen im Umfeld der Automobilfirmen gibt es bereits Tarifverträge und damit haben sich die Lohnabstände deutlich verringert.

Wie groß sind sie im Schnitt?

Bei gleicher Qualifikation bekommt ein Beschäftigter in einem tarifgebundenen Unternehmen knapp ein Viertel mehr als in einem ohne. Ein Ungelernter verdient sogar ein Drittel weniger.

Ist der Konflikt mit Verdi über die Zuständigkeit bei Logistikfirmen ausgestanden?

Absolut. Wir sind für die industrielle Kontraktlogistik rund um den Automobilbau zuständig. Also für Betriebe im Umfeld der Automobilfirmen. Dort werden von den Konzernen ausgelagerte Tätigkeiten erledigt, die klar der Metall- und Elektrobranche zuzuordnen sind. Die klassische Güterverteilung liegt weiter in den Händen von Verdi. Damit ist ein unnötiger Streit endlich beendet.

Die CSU hat das Gesetz gegen den Missbrauch von Leiharbeit gestoppt. Sehen Sie noch Hoffnung?

Das war ein grobes Foulspiel. Ich gehe aber fest davon aus, dass es nach den Landtagswahlen zeitnah zur Kabinettsabstimmung kommt. So kann bis zur Sommerpause das parlamentarische Verfahren eingeleitet werden.

Stichwort Integration von Flüchtlingen: Viele Arbeitgeber wollen Flüchtlinge einstellen – wegen geringer oder nicht vorhandener Qualifikation aber nur unter dem Mindestlohn. Was sagen Sie dazu?

Ich bin froh, dass hier die Arbeitgeberverbände klare Kante zeigen und wie wir eine solche Dumpingkonkurrenz auf dem Arbeitsmarkt ablehnen. Integration geht nicht über Dumpinglöhne. Sie klappt nur durch Ausbildung. Selbst wenn Flüchtlinge eine Ausbildung im Heimatland hatten, ist es oft nicht die Qualifikation, die heute hier adäquat verlangt wird. Zugleich werden wir darauf achten, dass die Förderung von Flüchtlingen nicht auf Kosten der Langzeitarbeitslosen geschieht.

Sehen Sie diese Gefahr?

Wir brauchen insgesamt mehr Mittel in der Arbeitsmarktförderung. Wenn wir Langzeitarbeitslose nicht ausbilden und qualifizieren, haben sie keine Chance auf einen Job. Deshalb fordert die IG Metall gleichwertige Angebote für alle.

Interview: Leipziger Volkszeitung, Andreas Dunte

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