Tarifrunde Metall und Elektro 2022
Was sind eigentlich 24-Stunden-Warnstreiks?

Mit den „ganztägigen Warnstreiks“ hat die IG Metall 2018 erstmals eine zusätzliche Eskalationsstufe in Tarifkonflikten eingeführt. In ausgewählten Betrieben soll so der Druck auf die Arbeitgeber erhöht werden. Voraussetzung ist, dass die Mehrheit der IG Metall-Mitglieder im Betrieb dafür stimmt.

16. November 202216. 11. 2022


Früher war die Arbeitskampfstrategie der IG Metall in zwei Eskalationsstufen aufgebaut:

1.     Warnstreiks, begleitend zu Verhandlungen, von Frühschlussaktionen bis hin zu mehrstündigen Arbeitsniederlegungen

und nach Scheitern der Verhandlungen:

2.     Urabstimmung und unbefristeter Streik

2017 beschloss der Beirat der IG Metall dann eine zusätzliche Eskalationsstufe für Tarifkonflikte in der Fläche: die ganztägigen Warnstreiks, oft auch 24-Stunden-Warnstreiks oder kurz 24-Stunden-Streiks genannt.

 

Wann gab es die ersten 24-Stunden-Warnstreiks?

Die ganztägigen Warnstreiks kamen direkt in der Metall-Tarifrunde 2018 erstmals zur Anwendung: 500.000 Beschäftigte legten Ende Januar und Anfang Februar für 24 Stunden die Arbeit nieder. Die Arbeitgeber klagten dagegen – doch die Arbeitsgerichte erklärten die ganztägigen Warnstreiks für rechtmäßig.

Das Tarifergebnis: 4,3 Prozent mehr Geld, die verkürzte Vollzeit und das neue tarifliche Zusatzgeld (T-ZUG), das Beschäftigte wahlweise auch in Form freier Tage nehmen können.

Seitdem gehören ganztägige Warnstreiks fest zum Instrumentenkasten der IG Metall.

 

Wer entscheidet über ganztägige Warnstreiks?

Die gewählten Tarifkommissionen (überwiegend Vertreter aus den Betrieben, Betriebsräte und IG Metall-Vertrauensleute) beantragen die ganztägigen Warnstreiks beim Vorstand der IG Metall. Die einzelnen Betriebe werden zuvor bei der Arbeitskampfplanung ausgewählt, etwa nach Organisationsgrad, Kampfkraft und Wirkung – und dann vom Vorstand beschlossen.

Das letzte Wort jedoch haben die Mitglieder der IG Metall in den Betrieben. Nur wenn die Mehrheit der Mitglieder im Betrieb dafür stimmt, darf die IG Metall gemäß ihrer Satzung zum 24-Stunden-Warnstreik aufrufen.

 

Wie erfahre ich, ob mein Betrieb dabei ist?

Die IG Metall vor Ort informiert Euch, ob und wann bei Euch ein ganztägiger Warnstreik geplant ist. Frag Deine IG Metall-Vertrauensleute im Betrieb. Spätestens bei der Abstimmung im Betrieb weißt Du Bescheid.

 

Gibt es Streikgeld?

Anders als bei normalen Warnstreiks kann der IG Metall-Vorstand Streikunterstützung für Mitglieder im 24-Stunden-Warnstreik beschließen. 2018 haben 500.000 IG Metall-Mitglieder für ihre Beteiligung Streikgeld erhalten.

 

Warum ganztägige Warnstreiks?

Ziel von Arbeitskampfmaßnahmen ist es, durch Produktions- und Einnahmeausfälle wirtschaftlichen Druck auf die Arbeitgeber auszuüben. Mit einem Warnstreik zeigen die IG Metall-Mitglieder dem Arbeitgeber zunächst, dass sie voll hinter der Forderung stehen und dazu bereit und in der Lage sind, den Betrieb auch länger mit einem unbefristeten Streik lahmzulegen. Oft reichen schon Warnstreiks, um die Arbeitgeber zum Einlenken am Verhandlungstisch zu bringen.

Allerdings sind kurzzeitige Warnstreiks für den Arbeitgeber wirtschaftlich leicht verkraftbar und er kann die Ausfälle oft wieder ausgleichen.

Unbefristete Streiks – oder Erzwingungsstreiks – sind jedoch in den letzten Jahrzehnten deutlich schwieriger geworden: Die Betriebe sind immer mehr durch Lieferbeziehungen miteinander verflochten – just-in-time oder sogar just-in-sequence. Ein Streik in einem Betrieb kann in einer Kettenreaktion durch Fernwirkungen hunderte weitere Betriebe lahmlegen. In solchen Fällen können Arbeitgeber Beschäftigte kalt aussperren und keinen Lohn mehr zahlen.

Die Arbeitskampf-Konzepte der IG Metall müssen daher auf der einen Seite den wirtschaftlichen Druck auf die Arbeitgeber maximal erhöhen, auf der anderen Seite jedoch Fernwirkungen und kalte Aussperrungen verhindern.

Um mehr Möglichkeiten zum Arbeitskampf zu haben, hat die IG Metall die ganztägigen Warnstreiks entwickelt. Sie bieten zudem gegenüber klassischen Erzwingungsstreiks deutlich mehr Freiheiten, Beschäftigte bundesweit einzubeziehen und am Arbeitskampf teilhaben zu lassen. Es ist beispielsweise auch möglich, nur in ein oder zwei Tarifgebieten in die Urabstimmung und unbefristete Streiks zu gehen – und in allen anderen Tarifgebieten parallel in ganztägige Warnstreiks, um alle mitkämpfen zu lassen und die Kolleginnen und Kollegen in den Streikgebieten solidarisch zu unterstützen.

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