Frau Benner, ist „agiles Arbeiten“ der richtige Weg zu guter Arbeit?
Christiane Benner: Agile Arbeitsmethoden können sinnvoll sein. Wir müssen sie so gestalten, dass die Ziele des Unternehmens und die Interessen der Beschäftigten gleichermaßen berücksichtigt werden. Als IG Metall unterstützen wir die Idee, dass die Beschäftigten mehr beteiligt werden und selbstbestimmter arbeiten können.
Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall (Foto: Frank Rumpenhorst)
Wie kann eine nachhaltige Gestaltung gelingen?
Die Voraussetzung ist ein umfassender Kulturwandel in den Unternehmen. Wir müssen als Gewerkschaften gemeinsam mit den Betriebsräten genau hinschauen, ob agile Werte ernsthaft gelebt werden. Führen die neuen Arbeitsformen zu mehr Freiheiten und zu mehr Zeitsouveränität? Dürfen Teams auch „nein“ sagen? Was spielen Führungskräfte für eine Rolle in der agilen Arbeitswelt? Am Ende kommt es darauf an, ob die neuen Arbeitsmethoden eine Verbesserung für die Beschäftigten mit sich bringen oder nicht.
Brauchen wir im agilen Zeitalter überhaupt noch Mitbestimmung?
Ja, die Mitbestimmung ist eine sehr gute Grundlage. Menschen können am besten kreativ sein, wenn sie gute Rahmenbedingungen haben und sicher sein können, dass die Unternehmen ihre Interessen ernst nehmen. Insofern braucht auch agiles Arbeiten Mitbestimmung, denn die positiven Seiten der neuen Arbeitsformen setzen sich nicht automatisch durch. Wir erleben es in Betrieben, dass agile Methoden mit dem Fokus „Innovationsdruck“ eingeführt werden. Dann überwiegen zusätzliche Stressfaktoren. Deshalb sagen wir: Mitbestimmung ist der beste Weg zur Selbstbestimmung. Das gilt übrigens auch für Neugründungen wie Start-ups und Labs.
Aber die Interessenvertretung muss sich auch ändern, oder?
Unser Ziel ist „Mitbestimmung 4.0“, offen, beteiligungsorientiert, agil. In diesem Modell ergänzen neue Beteiligungsformen die verfasste Mitbestimmung, die wir als gesetzlichen Handlungsrahmen weiter brauchen. Wir als IG Metall sind in einem Lernprozess: Auch wir wollen uns beteiligungsorientierter aufstellen.
Wie wollen Sie dies umsetzen?
Indem wir genau hinhören, was die Beschäftigten selbst unter „guter Arbeit“ verstehen und indem wir dafür sorgen, dass ihre Fragen auch bei uns ankommen. Zum Beispiel haben wir in diesem Frühjahr eine Umfrage bei Beschäftigten in Betrieben unseres Organisationsbereichs durchgeführt. Wir wollten wissen, welche Wünsche sie an die Arbeitszeit haben und wo sonst der Schuh im Arbeitsleben drückt. 680 000 Rückmeldungen von Beschäftigten sind der Beweis, dass sie gefragt, gehört und ernst genommen werden wollen. Wir werden die Themen und Probleme aufgreifen und gemeinsam nach Lösungen suchen – auch in der kommenden Tarifrunde.
Dieses Interview ist im September 2017 im „IT-Magazin“ erschienen.