Gleichstellung, Entgeltgerechtigkeit, Vereinbarkeit
Rückkehrrecht ist überfällig!

Vereinbarkeit, Entwicklungsperspektiven und Entgeltgerechtigkeit – das treibt viele Frauen in den Betrieben um. Im Interview erklärt Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall, warum es auf dem Weg zur Gleichstellung oft noch klemmt.

5. März 20185. 3. 2018


Christiane, seit über 100 Jahren erinnern Frauen weltweit am 8. März an ihre Forderung nach gleichen Rechten. Wie weit sind wir von gleichen Rechten für Männer und Frauen entfernt?

Christiane Benner: Gleiche Rechte haben wir in Deutschland, aber noch keine echte Gleichstellung. Daher setzt sich die IG Metall in Unternehmen weiter für berufliche Entwicklung, Entgeltgerechtigkeit und partnerschaftliche Arbeitszeitmodelle ein.

Ein Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit gibt es noch immer nicht. Vor allem Frauen sitzen deshalb in der Teilzeitfalle. Die IG Metall hat das in der aktuellen Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie zum Thema gemacht ...
... und hat die Teilzeit aus der Steinzeit herausgeholt. Dank hervorragender Beteiligung von eineinhalb Millionen Frauen und Männern bei kurzen und ganztägigen Warnstreiks. Jetzt haben alle einen tariflichen Anspruch, ihre Arbeitszeit befristet auf bis zu 28 Stunden pro Woche abzusenken. Unser Tarifvertrag ist ein Meilenstein für bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Künftig können Beschäftigte, die sich um Kinder kümmern oder Angehörige pflegen wollen, einen Teil ihres Entgelts in zusätzliche Urlaubstage umwandeln. Der Arbeitgeber gibt noch zwei Tage bezahlten Urlaub dazu.

Warum muss ein Rückkehrrecht trotzdem gesetzlich verankert werden?
Es arbeiten ja nicht alle Erwerbstätigen in der Metall- und Elektroindustrie. Frauen tragen immer noch meist die Hauptlast bei Kindererziehung und Pflege. Sie bezahlen dafür beruflich oft einen hohen Preis. Gleichzeitig wollen immer mehr Männer mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Deshalb brauchen wir ein Recht auf befristete Teilzeit. Das ist überfällig und steht nun – zumindest für Betriebe über 45 Beschäftigte – zum zweiten Mal in einem Koalitionsvertrag. Ich erwarte, dass Union und SPD es dieses Mal umsetzen. Wir werden darauf drängen!

Noch immer gibt es eine Entgeltlücke zwischen Männern und Frauen. Wie schließt sie sich?
In dem wir die Tarifbindung stärken. Wo es Tarifverträge gibt, ist die Lücke erfahrungsgemäß viel kleiner. Für den Rest gibt es unsere Entgeltchecks. Damit können Betriebe herausfinden, wo es bei ihnen Ungerechtigkeiten bei der Bezahlung von Frauen im Vergleich zu Männern gibt, und sie abstellen. Und seit Neuestem gibt es das Entgelttransparenzgesetz. Auch das können wir nutzen, um Lohndiskriminierung von Frauen aufzudecken und abzubauen.

Die Zahl der Frauen in Führungspositionen steigt, aber langsam. Haben Frauen es immer noch schwerer, beruflich aufzusteigen?
Ja klar. Viele Unternehmen haben Frauenförderprogramme und gute Vorsätze, es fehlt aber an Konsequenz. Die meisten scheuen sich, verbindliche Maßnahmen wie Quoten oder echte Anreize für mehr Gleichstellung einzuführen. Wenn wir mehr Frauen als Schichtleiterin oder Meisterin hätten, dann wäre der Entgeltunterschied auch geringer. Es geht zum Glück auch anders. Bei Salzgitter Flachstahl zum Beispiel haben Betriebsrat und Geschäftsleitung einen Plan entwickelt, wie sich Frauen aus den unteren Entgeltgruppen weiterentwickeln können. Wir haben alle Frauen im Blick, von Un- und Angelernten bis zur Führungskraft.

Union und SPD wollen sachgrundlose Befristungen einschränken. Geht der Vorschlag weit genug?
Er ist zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. Durch die Begrenzung auf 18 Monate kommen vor allem junge Menschen schneller in unbefristete Arbeit. Ebenso wichtig ist die Begrenzung von Kettenverträgen jedweder Art auf 5 Jahre. Das muss konsequent umgesetzt werden!

Der digitale Umbruch in der Arbeitswelt verunsichert viele Beschäftigte. Welche Antworten braucht es von einer neuen Bundesregierung?
Sie muss die Mitbestimmung stärken und die Weichen für gute Bildung und lebenslanges Lernen richtig stellen. Wie sich die Digitalisierung für den Einzelnen auswirkt, wird in den Betrieben entschieden. Wir müssen als IG Metall erreichen, dass alle mitgenommen werden. Es geht dabei um Investitionsentscheidungen und eine systematische Analyse von Beschäftigungspotenzialen und Qualifikationsanforderungen. Außerdem müssen wir darauf achten, dass neue, digitale Geschäftsmodelle nicht außerhalb unseres Einflussbereichs entstehen.

In diesem Monat sprechen Betriebsrätinnen und Betriebsräte mit vielfältigen Aktionen Frauen im Betrieb an. Wie gut kommt das an?
Jedes Jahr beteiligen sich mehr Betriebe und entwickeln fantasievolle Ideen, wie wir Frauen für die Mitgliedschaft in unserer IG Metall begeistern können. Das klappt. Vor allem junge Frauen schließen sich uns an und engagieren sich. Auch in Betriebsräten, Jugend- und Auszubildendenvertretungen sowie unseren eigenen Gremien wird die IG Metall immer weiblicher. Feste Quoten befördern das.

Was erwarten Frauen heute von der IG Metall?
Das Gleiche wie die Männer: Setzt Euch für gute und faire Arbeitsbedingungen ein!

Vor allem junge Frauen zieht es zur IG Metall. Was macht die Gewerkschaft für sie interessant?
Die vielen tollen Kolleginnen und Kollegen, die in den Betrieben Tag für Tag füreinander einstehen!

Gleichstellung und Integration

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