Ratgeber Arbeitsvertrag
Alle Antworten zum Arbeitsvertrag

Einen Arbeitsvertrag unterschreiben die meisten Beschäftigten nicht allzu oft. Wir erklären, was drin stehen muss, wie man ihn kündigen kann, welche Klauseln einen stutzig machen sollten – und welche gesetzlichen Änderungen ab August 2022 gelten.

26. Juli 202226. 7. 2022


Der Arbeitsvertrag ist für Beschäftigte ein zentrales Dokument: Er regelt Rechte und Pflichten für das Arbeitsverhältnis – von der Arbeitszeit bis zum Entgelt. Einen Arbeitsvertrag sollte man nicht leichtfertig unterschrieben. Manchmal haben Arbeitsverträge formale Mängel. Oder Arbeitgeber schmuggeln ungültige Klauseln in den Vertrag.

Tarifverträge vereinfachen die Sache: Weil darin Entgelt und Arbeitsbedingungen bereits geregelt sind, kann der Arbeitsvertrag knapp ausfallen.

Zum 1. August 2022 treten Rechtsänderungen in verschiedenen Arbeitsgesetzen in Kraft – unter anderem im Nachweisgesetz. Wir nehmen dies zum Anlass, die bestehenden Hinweise rund um das Thema „Arbeitsvertrag“ zu aktualisieren und um Ausführungen zum Nachweisgesetz zu ergänzen.

Der DGB und seine Mitgliedgewerkschaften haben die Umsetzung der EU-Richtlinie über tarnsparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen begleitet. Weitere Informationen, was sich im Zuge der Richtlinienumsetzung noch geändert hat, liefert der DGB auf seiner Internetseite.
 

1. Wie wird ein Arbeitsvertrag geschlossen? Muss dabei eine bestimmte Form eingehalten werden?

Der Abschluss eines Arbeitsvertrags kann sehr einfach erfolgen. Nicht einmal der sprichwörtliche Handschlag ist dafür erforderlich. Es genügt bereits, wenn aus dem Verhalten der Parteien erkennbar ist, dass sie sich darüber einig sind, dass der eine, nämlich der Arbeitnehmer, sich verpflichtet, seine Arbeitskraft dem anderen, also dem Arbeitgeber, zur Verfügung zu stellen und der Arbeitgeber sich seinerseits zur Zahlung von Arbeitsvergütung an den Arbeitnehmer verpflichtet. Eine ausdrückliche Einigung über die Höhe der Arbeitsvergütung ist nicht erforderlich. Denn haben die Parteien dazu nichts geregelt, greift die gesetzliche Regelung des Paragraf 612 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch ein und der Arbeitnehmer kann die „übliche Vergütung“ verlangen.

Das Gesetz sieht also für den Abschluss eines Arbeitsvertrags keine bestimmte Form vor. Dennoch werden die allermeisten Arbeitsverträge schriftlich abgeschlossen. In diesem Vertragstext werden in der Regel eine Vielzahl von Regelungen getroffen. Insbesondere die Art der Tätigkeit, die Arbeitszeit und die Höhe der Vergütung werden dort ausdrücklich festgelegt.

2. Gelten für befristete Verträge Besonderheiten?

Mitunter wird gesagt, ein Arbeitsvertrag, der für eine befristete Zeit abgeschlossen werden soll, schriftlich abgeschlossen werden muss, um rechtswirksam zu sein. Das ist so aber nicht richtig. Richtig ist, dass aus Paragraf 14 Absatz 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) zwar folgt, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses der Schriftform bedarf. Das bezieht sich aber nur auf den Aspekt der zeitlichen Befristung. Der Arbeitsvertrag als solcher ist auch ohne Einhaltung der Schriftform rechtswirksam.

Wenn sich also bspw. der Bewerber und der Arbeitgeber mündlich darüber einigen, dass der Bewerber für die Dauer von einem Jahr als Produktionshelfer für den Arbeitgeber arbeiten soll, dann ist ein entsprechender Arbeitsvertrag an sich vollständig wirksam zustande gekommen. Allein die vertragliche Regelung, nach der das Arbeitsverhältnis automatisch nach Ablauf eines Jahres enden soll – also die Befristung –, ist nicht rechtswirksam. Der Arbeitnehmer hat dann einen unbefristeten Arbeitsvertrag.

Wichtig aber: Ein Arbeitnehmer, der sich auf die Rechtsunwirksamkeit der Befristungsabrede berufen will, muss dies im Streitfall gemäß Paragraf 17 TzBfG durch eine arbeitsgerichtliche Klage tun, die im Regelfall spätestens drei Wochen nach dem Befristungsende erhoben sein muss. Wird diese Klagefrist versäumt, gilt die Befristungsvereinbarung doch als rechtswirksam abgeschlossen.

3. Kleingedrucktes im Arbeitsvertrag – ist das rechtens?

Extra klein gedruckte Vertragsklauseln finden sich heute kaum noch in einem Arbeitsvertragstext. Aber auch wenn die Formulierungen im Vertragsdokument gut leserlich sind, heißt das noch lange nicht, dass sie auch gut verständlich sind. Auf Klauseln aber, die so formuliert sind, dass sie geeignet sind, den Arbeitnehmer über seine Rechte und Pflichten im Arbeitsverhältnis in die Irre zu führen, kann sich der Arbeitgeber nicht berufen.

Beispiel: Eine Vertragsklausel, die regelt, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die nicht spätestens drei Monate nach ihrer Fälligkeit gegenüber der anderen Seite geltend gemacht worden sind, verfallen, ist rechtsunwirksam. Diese vertragliche Regelung ist nämlich geeignet, den Arbeitnehmer darüber zu täuschen, dass bestimmte Ansprüche von Gesetzes wegen nicht in einer derart kurzen Frist verfallen können.

Arbeitsvertragsklauseln müssen aber nicht nur transparent sein, sondern sie müssen auch ein Mindestmaß an Ausgewogenheit beinhalten, dürfen also nicht den Arbeitgeber unangemessen bevorteilen.

Aber Achtung: Die hier angesprochenen rechtlichen Grenzen für Vertragsklauseln beziehen sich ausschließlich auf Klauseln, die vom Arbeitgeber vorformuliert worden sind und die der Arbeitnehmer genauso zu akzeptieren hat. In diesen Fällen findet im Streitfall vor dem Arbeitsgericht eine sogenannte AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB statt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen werden in dieser Kontrolle daraufhin geprüft, ob derjenige, der Vertragsinhalte nicht individuell aushandelt, sondern allein seine Bedingungen zur Annahme stellt, dabei „einigermaßen fair“ geblieben ist.

Schon kleine Formulierungsunterschiede können entscheidend dafür sein, ob die eine Klausel der Prüfung standhält während eine andere, sehr ähnliche Klausel als unangemessen bewertet wird. Um hier Gewissheit zu den eigenen Vertragsklauseln zu erhalten, ist die Einholung von Rechtsrat in der Regel unumgänglich.

4. Welche Wirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben Tarifverträge?

Der einzelne Arbeitnehmer verfügt in der Regel nicht über eine Verhandlungsposition, die es ihm ermöglicht auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber zu verhandeln. Oft gilt das schon bei Abschluss des Arbeitsvertrags. Aber auch gesuchte Fachkräfte, die bei Arbeitsvertragsschluss noch gute Karten haben und eine anständige Vergütung durchsetzen, stellen fest, dass sie im Laufe des Arbeitsverhältnisses – etwa bei Verhandlungen über eine Gehaltserhöhung – an Verhandlungsmacht deutlich eingebüßt haben. Die Drohung, das Unternehmen zu verlassen, ist eben oft nur wenig glaubhaft und womöglich liebäugelt der Arbeitgeber ohnehin gerade mit dem Gedanken an einen Personalabbau, sodass ihm diese Ankündigung nicht schreckt.

In Gewerkschaften schließen sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zusammen und treten in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber gemeinsam und geschlossen auf und verschaffen sich so eine starke Verhandlungsposition. Die so gegebene Möglichkeit, auch durch Streiks spürbaren wirtschaftlichen Druck auf den Arbeitgeber auszuüben und so den eigenen Forderungen Nachdruck zu verleihen, ist dabei ganz entscheidend. Die Einigungen, die in diesen Verhandlungen zwischen einem Arbeitgeber und der Gewerkschaft oder einem ganzen Arbeitgeberverband und der Gewerkschaft erzielt werden, stellen auch einen Vertrag dar, einen Tarifvertrag. Die Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft können auf Grundlage dieses Tarifvertrags gegenüber dem an diesen Tarifvertrag gebundenen Arbeitgeber die Rechte durchsetzen die dort geregelt sind. Beispielsweise können sie den erhöhten Lohn, zusätzliche Urlaubstage, eine persönlich gewünschte Freistellung und vieles mehr verlangen.

Für Gewerkschaftsmitglieder steht der Tarifvertrag sozusagen neben dem eigenen Arbeitsvertrag. Für das Verhältnis zwischen beiden gilt gemäß Paragraf 4 Absatz 3 Tarifvertragsgesetz, dass vom Tarifvertrag Abweichendes nur dann greift, wenn dies im Tarifvertrag selbst so gestattet worden ist oder die Abweichung für den Arbeitnehmer günstiger ist.

Der Betriebsrat wacht gemäß Paragraf 80 Absatz 1 Ziffer 1 Betriebsverfassungsgesetz darüber, dass die geltenden Tarifverträge durchgeführt werden.

5. Welche Wirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben Betriebsvereinbarungen?

Die Zusammenarbeit von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in einem Betrieb wird in Deutschland maßgeblich durch das Betriebsverfassungsgesetz ausgestaltet. Die Beschäftigten eines Betriebs wählen danach einen Betriebsrat, der ihre Interessen gegenüber dem Arbeitgeber vertritt. In vielen Regelungsfragen muss der Arbeitgeber eine Einigung mit dem Betriebsrat herstellen, wenn bestimmte Maßnahmen umgesetzt werden sollen.

Zum Beispiel muss der Arbeitgeber sich gemäß Paragraf 87 Absatz 1 Nummer 2 Betriebsverfassungsgesetz mit dem Betriebsrat darüber einigen, wann die tägliche Arbeitszeit im Betrieb beginnen und enden soll, wann die Pausen liegen oder wie sich die Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage verteilt. Aber auch dort, wo das Gesetz den Arbeitgeber nicht dazu zwingt, sich mit dem Betriebsrat zu einigen, kann er dies freiwillig tun. Regelungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, die in einer Betriebsvereinbarung festgehalten werden, sind für alle Arbeitnehmer des Betriebs maßgeblich.

Auch Betriebsvereinbarungen stehen sozusagen neben dem eigenen Arbeitsvertrag. Ist im Arbeitsvertrag derselbe Regelungsgegenstand für den Arbeitnehmer günstiger ausgestaltet als in der Betriebsvereinbarung, kann der Arbeitnehmer sich auf seinen Arbeitsvertrag berufen.

Aber Achtung: Ein Arbeitsvertrag kann auch Regelungen dazu beinhalten, dass Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung vorrangig gelten sollen, auch wenn sie ungünstiger sind. Dafür wird in der Regel der Begriff der „Betriebsvereinbarungsoffenheit“ verwendet. Problematisch ist, dass die Arbeitsgerichte eine solche „Betriebsvereinbarungsoffenheit“ oftmals selbst dann annehmen, wenn dies nicht ausdrücklich im Arbeitsvertrag steht. Die Arbeitsgerichte meinen, dass viele Verträge quasi aus dem Gesamtzusammenhang so zu verstehen sind – juristisch gesprochen: so auszulegen sind.

6. Wie wird ein Arbeitsvertrag beendet?

Ein Arbeitsvertrag kann auf verschiedene Art und Weise enden.

Er kann automatisch enden, wenn er von vornherein für eine befristete Zeit abgeschlossen worden ist oder eine Bedingung vereinbart wurde, bei deren Eintritt das Arbeitsverhältnis enden soll.

Ein Arbeitsvertrag kann in aller Regel auch von jeder Vertragspartei durch eine ordentliche Kündigung beendet werden. Der Kündigende muss hierbei die jeweils maßgebliche Kündigungsfrist beachten. Die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung kann aber auch eingeschränkt oder ausgeschlossen sein. Bspw. treffen viele Tarifverträge der IG Metall Regelungen dazu, dass die ordentliche Kündigung von älteren, langjährig Beschäftigten durch den Arbeitgeber ausgeschlossen ist. Auch befristete Arbeitsverträge können nicht ordentlich gekündigt werden, es denn diese Möglichkeit ist ausdrücklich geregelt – was in der Praxis allerdings der Regelfall ist.

Stets gegeben ist für beide Vertragsparteien die Möglichkeit, außerordentlich – also ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist – zu kündigen. Allerdings muss es dafür einen wichtigen Grund geben. Liegt ein wichtiger Grund vor, muss der aus diesem Grund Kündigungsberechtigte die Kündigung binnen zwei Wochen nach Kenntnis von den zur Kündigung berechtigenden Umständen aussprechen. Wird diese Frist überschritten, ist die fristlose Kündigung nicht wirksam. Zudem setzt eine rechtswirksame außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber in der Regel eine vorherige Abmahnung des Fehlverhaltens voraus. Aber auch der Arbeitnehmer kann gehalten sein, zunächst durch eine Abmahnung des Arbeitgebers auf ein Abstellen des Missstandes hinzuwirken, bevor er – falls die Abmahnung wirkungslos bleibt - zur außerordentlichen Kündigung berechtigt ist.

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses – unabhängig davon, ob sie vom Arbeitgeber oder vom Arbeitnehmer ausgesprochen wird – bedarf der Schriftform.

Achtung: Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine vom Arbeitgeber ausgesprochene schriftliche Kündigung rechtsunwirksam ist, muss er dazu eine arbeitsgerichtliche Klage einreichen, die binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung erhoben werden muss.

Die Vertragsparteien können auch jederzeit durch einen Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis einvernehmlich beenden. Dabei sind sie auch nicht an die für eine Kündigung maßgeblichen Fristen gebunden. Auch hier gilt aber die Schriftform.

Aber Achtung: Sowohl die Eigenkündigung des Arbeitnehmers als auch der Abschluss eines Aufhebungsvertrags können sozialrechtlich nachteilige Folgen für den Arbeitnehmer haben. Deshalb ist eine rechtliche Beratung vor einem solchen Schritt dringend zu empfehlen.

Praktisch wenig relevant ist, dass das Arbeitsverhältnis im Zuge eines arbeitsgerichtlichen Kündigungsrechtsstreits in sehr besonderen Konstellationen auf den Antrag einer Partei des Rechtsstreits hin auch vom Arbeitsgericht aufgehoben werden kann. Für diesen Fall bestimmt Paragraf 9 Abatz 1 Kündigungsschutzgesetz, dass das Gericht den Arbeitgeber zugleich zur Zahlung einer angemessenen Abfindung verurteilt.

Dass das Arbeitsverhältnis schlussendlich auch durch den Tod des Arbeitnehmers endet, ist für seine Erben wichtig, da sie deshalb – anders als bei vielen anderen Vertragsverhältnissen des Verstorbenen – eben nicht in dieses Vertragsverhältnis eintreten. Noch offene Ansprüche des verstorbenen Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber stehen den Erben aber dennoch zu. Diese Ansprüche können sie auch im Streitfall vor dem zuständigen Arbeitsgericht einklagen.

7. Was bestimmt das Nachweisgesetz?

Wie oben aufgezeigt, können Arbeitsverträge zustande kommen, ohne dass ein Vertragstext erstellt werden muss. Insbesondere wenn längere Zeit seit dem Arbeitsvertragsabschluss verstrichen ist, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Vertragsparteien unterschiedliche „Erinnerungen“ daran haben, worauf man sich mal verständigt hatte.

Da es in der Regel die Arbeitnehmer sind, die vertraglich vereinbarte Leistungen gegen den Arbeitgeber im Streitfall einklagen müssen, sind in erster Linie sie von dem Problem betroffen, beweisen zu müssen, dass eine entsprechende Vereinbarung auch tatsächlich getroffen worden ist.

Im Interesse der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit regelt das Nachweisgesetz in der bis zum 31. Juli 2022 geltenden Fassung daher die Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer bis spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses eine schriftliche, vom Arbeitgeber unterzeichnete Niederschrift über die wesentlichen Vertragsbedingungen (wie zum Beispiel den Arbeitsplatz, die Dauer der Arbeitszeit, die Höhe des Arbeitsentgelts, die Dauer des Erholungsurlaubs etc.) auszuhändigen.

8. Was bringt dem Arbeitnehmer dieser schriftliche Nachweis?

Im Streitfall kann der Arbeitnehmer, der im Grundsatz beweisen muss, dass die von ihm erhobene Forderung auch berechtigt ist, sich allein auf den Inhalt dieses Nachweises berufen.

Ist dort zum Beispiel dokumentiert, dass die Höhe der monatlichen Vergütung 3500 Euro brutto beträgt, wird vermutet, dass dies tatsächlich die vereinbarte monatliche Vergütung ist. Der Arbeitgeber, der meint, die Angabe im schriftlichen Nachweis sei unrichtig, weil man sich beispielsweise tatsächlich auf 3000 Euro geeinigt habe, muss dies dann beweisen.

9. Was, wenn der Arbeitgeber gegen seine Nachweispflichten verstößt und den schriftlichen Nachweis nicht aushändigt?

Arbeitnehmer können selbstverständlich den gesetzlichen Anspruch auf Aushändigung des Nachweises einfordern und gegebenenfalls auch gerichtlich gegen ihren Arbeitgeber durchsetzen. In der Praxis passiert dies allerdings kaum. Solange das Arbeitsverhältnis ungestört verläuft, besteht kein Handlungsdruck. Zudem ist das Nachweisgesetz vielen Beschäftigten gar nicht bekannt. Läuft das Arbeitsverhältnis nicht mehr ungestört, hat die Durchsetzung des zustehenden schriftlichen Nachweises oftmals keine hohe Priorität mehr. Wer sich bspw. mit seinem Arbeitgeber darüber streitet, ob ihm ein 13. Monatsgehalt vertraglich zusteht, wird keinen schriftlichen Nachweis vom Arbeitgeber erhalten, in dem dieser Anspruch als wesentliche Vertragsbedingungen aufgeführt ist. Der Arbeitnehmer, der diese Frage klären will, wird daher in der Regel direkt das Geld einklagen.

Dem Arbeitnehmer kommen in dieser Situation wegen der Verletzung der Nachweispflicht seitens des Arbeitgebers gewisse Beweiserleichterungen zu. Er kann dann seiner Beweislast auch durch Indizien genügen. Im oben genannten Beispiel könnte er – ggf. - aufzeigen, dass er im Vorjahr ein 13. Monatsgehalt erhalten hat. Es obliegt dann dem Arbeitgeber, dieses Indiz für die Berechtigung der erhobenen Forderung zu entkräften.

Letztlich kann die Verletzung der Nachweispflichten auch Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber begründen. Wenn ein Arbeitnehmer es bspw. versäumt, bestimmte Ansprüche rechtzeitig einzufordern, weil er mangels Aushändigung der wesentlichen Vertragsbedingungen keine Kenntnis von einer Ausschlussfrist hatte, kann er vom Arbeitgeber verlangen, so gestellt zu werden, wie er gestanden hätte, wenn er die geschuldeten Informationen zu den wesentlichen Vertragsbedingungen rechtzeitig erhalten hätte und sich demgemäß interessengerecht auch rechtzeitig um die Durchsetzung des fraglichen Anspruchs gekümmert hätte. Über den „Umweg“ eines Schadensersatzanspruchs kann der Arbeitnehmer damit letztlich doch die Durchsetzung des fraglichen Anspruchs erreichen.

Der Betriebsrat wacht gemäß Paragraf 80 Absatz 1 Nummer 1 Betriebsverfassungsgesetz auch über die Einhaltung des Nachweisgesetzes.

Bislang stellt es keine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit dar, wenn der Arbeitgeber sich schlicht nicht an seine Verpflichtung gehalten hat. Das ändert sich nun zum 1. August 2022.

10. Was sind die wichtigsten Änderungen im Nachweisgesetz zum 1. August 2022?

Die Verletzung der Pflicht zur Aushändigung des Dokuments, in der der Arbeitgeber die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich niedergelegt und unterzeichnet hat, stellt zukünftig eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße von bis zu 2000 Euro geahndet werden kann.

Namen und Anschrift der Vertragsparteien, die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts, deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung, die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie ggf. das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und die Voraussetzungen für Schichtänderungen muss der Arbeitgeber zukünftig spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung nachweisen. Für andere wesentliche Arbeitsbedingungen gelten zwei zeitliche Staffeln, wonach einige Vertragsbedingungen spätestens am siebten Tag und andere spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgehändigt werden müssen.

Arbeitgeber müssen zukünftig auch folgende Vertragsbedingungen schriftlich nachweisen, zu denen bislang ein Nachweis nicht erbracht werden musste:

  • Sofern vereinbart, die Dauer der Probezeit.
  • Sofern vereinbart, die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen.
  • Ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildungen.
  • Unter Umständen den Namen und die Anschrift des Versorgungsträgers, über den der Arbeitgeber eine betriebliche Altersversorgung zusagt.
  • Das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Einhaltung der Kündigungsschutzklage.

Bei Arbeit auf Abruf hat der Arbeitgeber zukünftig nähere Angaben zur Festlegung der Arbeitszeit zu machen.

Ferner sind weitere Nachweispflichten geschaffen worden für den Fall von Auslandseinsätzen des Arbeitnehmers.

Gestrichen ist in der Neufassung des Nachweisgesetzes die Ausnahme für vorübergehende Aushilfe von höchstem einem Monat. Auch diese haben als zukünftig Anspruch auf entsprechende Nachweise der wesentlichen Vertragsbedingungen.

11. Welche Bedeutung hat die neue Informationspflicht zur Frist für eine Kündigungsschutzklage?

Wie oben erwähnt, müssen Arbeitgeber zukünftig den Arbeitnehmer zu Beginn des Arbeitsverhältnisses u.a. auch darüber informieren, dass eine Klagefrist für eine Kündigungsschutzklage existiert. Denn tatsächlich ist es so, dass ein gekündigter Arbeitnehmer in aller Regel keine Chance mehr hat, die Rechtsunwirksamkeit einer Arbeitgeberkündigung gerichtlich feststellen zu lassen, wenn er diese Frist versäumt.

Der neue Gesetzestext im Nachweisgesetz stellt allerdings ausdrücklich klar, dass das Versäumen dieser Frist auch dann für den Arbeitnehmer diese nachteilige Folge hat, wenn der Arbeitgeber pflichtwidrig zu Beginn des Arbeitsverhältnisses zu dieser Frist nicht informiert hat.

Unklar aber ist, ob der fehlende Hinweis auf die Klagefrist Relevanz für die Frage einer nachträglichen Zulassung der Kündigungsschutzklage nach Paragraf 5 Kündigungsschutzgesetz hat. In Betracht zu ziehen ist zudem, dass der betroffene Arbeitnehmer wegen der Pflichtverletzung des Arbeitgebers auch Schadensersatzansprüche durchsetzen kann.

Es bleibt allerdings abzuwarten, wie die Rechtsprechung mit der Neuregelung umgehen wird. Die Dreiwochenfrist sollte also unbedingt beachtet werden, auch wenn der Arbeitgeber entgegen der neugeschaffenen Pflicht im Nachweisgesetz nicht zu dieser Frist informiert hat! Möglich ist nämlich auch, dass die Rechtsprechung aus dieser Pflichtverletzung des Arbeitgebers weder erleichterte Möglichkeiten zur nachträglichen Zulassung einer vom Arbeitnehmer verspätet eingereichten Kündigungsschutzklage noch Schadensersatzansprüche herleiten wird.

12. Müssen jetzt alle Arbeitsverträge geändert werden?

Nein! Der Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags ist durch die Änderungen des Nachweisgesetzes nicht erforderlich. Wer von seinem Arbeitgeber zur Unterschrift unter einen neuen Arbeitsvertrag aufgefordert wird, der sollte sich nie leichtfertig darauf einlassen, da die Gefahr besteht, dass der neue Arbeitsvertrag die Rechtslage zum Nachteil des Beschäftigten verändert. Das gilt auch aktuell. Wenn der Arbeitgeber behaupten sollte, der neue Arbeitsvertrag müsse zur Einhaltung der neuen Rechtslage abgeschlossen werden, sollte das misstrauisch machen.

Die Neuregelungen im Nachweisgesetz betreffen in erster Linie ohnehin Arbeitnehmer, die nach dem 31. Juli 2022 neu eingestellt werden. Und auch für diese Beschäftigte gilt nach wie vor, dass ein Arbeitsverhältnis auch ohne schriftlichen Arbeitsvertrag wirksam geschlossen werden kann. Der „Arbeitsvertrag“ und der „schriftliche Nachweis über die wesentlichen Arbeitsbedingungen“ sind also zwei unterschiedliche Dinge. Die nach dem 31. Juli 2022 eingestellten Arbeitnehmer haben lediglich Anspruch auf einen schriftlichen Nachweis, der nun noch einige Punkte mehr beinhalten muss, als dies bislang der Fall war (siehe Frage 10 – Was ändert sich im Nachweisgesetz zum 1. August 2022?)

Wenn oft zu hören ist, dass „die Arbeitsverträge“ ab dem 1. August 2022 wegen der Rechtsänderungen neu zu gestalten sind, dann liegt das darin, dass es wohl den Regelfall darstellt, dass Arbeitgeber ihrer Pflicht zum schriftlichen Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen dadurch nachkommen, dass der von ihnen aufgesetzte schriftliche Arbeitsvertragstext bereits sämtliche dieser Angaben beinhaltet. Der schriftliche Arbeitsvertrag ist dann zugleich der schriftliche Nachweis über die wesentlichen Arbeitsbedingungen. Das ist praktikabel und rechtlich zulässig.

Die von Arbeitgebern ab dem 1. August 2022 verwendeten Formulararbeitsverträge werden daher vielfach anders aussehen als bislang. Zwingend ist das jedoch nicht. Die Pflichten des Nachweisgesetzes können auch durch einen separaten Text erfüllt werden.

13. Welche Bedeutung haben die Änderungen im Nachweisgesetz denn für Bestandsbeschäftigte?

In der Neufassung des Paragraf 5 Nachweisgesetz ist ausdrücklich geregelt, dass Beschäftigte, die bereits vor dem 1. August 2022 in einem Arbeitsverhältnis zum betreffenden Arbeitgeber gestanden haben, von ihrem Arbeitgeber verlangen können, dass er auch ihnen gegenüber die Vertragsinhalte aushändigen muss, die nun neu in die Nachweispflicht aufgenommen worden sind.

Es bleibt dem Arbeitgeber unbenommen, den Bestandsbeschäftigten auch ohne deren ausdrückliches Verlangen einen entsprechenden aktualisierten Nachweis auszuhändigen. Der Nachweis dokumentiert dann das, was zwischen den Parteien bereits vereinbart worden ist. Das Angebot des Arbeitgebers, den bestehenden Vertrag neu abzuschließen, birgt hingegen die Gefahr, das inhaltlich zu verändern, was zwischen den Vertragsparteien zuvor vereinbart worden war. Auf eine solche Vertragsänderung hat der Arbeitgeber keinen Anspruch. Auch die Neuregelungen des Nachweisgesetzes geben dem Arbeitgeber keinen diesbezüglichen Anspruch! Es geht bei der Einhaltung des Nachweisgesetzes eben nicht darum, Vereinbarungen zu treffen, sondern „nur“ um eine schriftliche Dokumentation dessen, was bereits vereinbart worden ist.

14. Streit um den Arbeitsvertrag - IG Metall hilft

Mitglieder können den Rechtsschutz der IG Metall in Anspruch nehmen. Diese Leistung ist vollumfänglich vom Mitgliedsbeitrag gedeckt. Zusätzliche Kosten entstehen nicht. Ansprechpartner für Fragen rund um den Arbeitsvertrag oder für Unterstützung in Streitigkeiten mit dem Arbeitgeber ist die betreuende Geschäftsstelle vor Ort.

 

Ratgeber

Neu auf igmetall.de

Newsletter bestellen