In einem Unternehmen stritten sich Arbeitgeber und Betriebsrat über die Informationspflichten bei anstehenden Neueinstellungen. Der Arbeitgeber hatte das Bewerbungsverfahren für eine ausgeschriebene Stelle digital mit Hilfe eines Softwareprogramms durchgeführt. Er vertrat die Auffassung, dass er seiner Verpflichtung aus Paragraf 99 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zur Vorlage der Bewerbungsunterlagen an den Betriebsrat dadurch nachgekommen sei, dass er allen Betriebsratsmitgliedern ein Einsichtsrecht in die elektronisch hinterlegten Bewerbungsunterlagen eingeräumt habe. Der Betriebsrat hielt dies jedoch nicht für ausreichend. Er verlangte die Vorlage der Bewerbungsunterlagen in Papierform. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) kam in letzter Instanz zu folgendem Ergebnis:
Die Unterrichtungs- und Vorlagepflicht nach Paragraf 99 Absatz 1 Satz 1 BetrVG dient zum einen dazu, dem Betriebsrat die Informationen zu verschaffen, die er benötigt, um sein Mitbestimmungsrecht sachgerecht ausüben zu können. Der Arbeitgeber hat ihn daher so zu unterrichten, dass er anhand der mitgeteilten Tatsachen prüfen kann, ob einer der in Paragraf 99 Absatz 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe vorliegt.
Zum anderen soll der Betriebsrat die Möglichkeit haben, vor der Einstellung Anregungen zur Bewerberauswahl zu geben und Gesichtspunkte vorzutragen, die aus seiner Sicht für die Berücksichtigung eines anderen Bewerbers sprechen. Dies erfordert, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Unterlagen aller Bewerber in der Regel so zur Verfügung stellt, dass sie ihm für die Dauer der gesetzlichen Frist zur Entscheidung über den Zustimmungsantrag einschließlich der Sitzung, in der hierüber entschieden wird, vorliegen.
Digitales Leserecht reicht aus
Diesen Anforderungen genügt es, wenn allen Betriebsratsmitgliedern für die Dauer des Zustimmungsverfahrens ein auf die digital vorliegenden Bewerbungsunterlagen aller Bewerber bezogenes Einsichts- und Leserecht eingeräumt wird. Der jederzeitige Zugriff auf die hinterlegten Bewerberdaten über die vorhandenen Laptops ermöglicht es dem Betriebsrat, eigene Auswahlvorschläge zu unterbreiten oder auf Umstände hinzuweisen, die aus seiner Sicht für einen anderen Bewerber sprechen. Der Betriebsrat hat dann den gleichen Informationsstand wie der Arbeitgeber, der die Bewerberauswahl ebenfalls anhand der im System hinterlegten Daten vornimmt.
Die Mitglieder des Betriebsrats haben von Gesetzes wegen auch die Möglichkeit, sich (ggf. umfangreiche) Notizen zu machen oder sogenannte Screenshots anzufertigen.
Hier geht es zum Volltext der BAG-Entscheidung vom 13. Dezember 2023 – 1 ABR 28/22.