In einer Führungsposition arbeiten und eine Teilzeitstelle haben – das passt für viele nicht zusammen. Ines Gebler zeigt, dass beides zusammen funktioniert: Sie leitet 10 Menschen im Bereich Cost Engineering bei BMW und arbeitet in Teilzeit, um Familie und Arbeit besser miteinander zu vereinbaren. Möglich ist das, weil sie ihre Stelle mit einem Kollegen teilt. Beide arbeiten jeweils 30 Stunden in der Woche, ihre Aufgabenbereiche haben sie untereinander aufgeteilt.
Eine Frage der Work-Life-Balance
Welche Nachteile das hat? „Es ist etwas Neues. Die Unternehmensleitung und die Mitarbeitenden müssen sich erst an das neue Modell gewöhnen. Sonst sehe ich keine Nachteile“, sagt Ines. Und tatsächlich, schaut man genauer hin, scheinen die Vorteile für alle Seiten zu überwiegen. „Urlaubs- und Weihnachtsvertretung regeln wir untereinander“, sagt Ines. Außerdem sei es in der Praxis extrem hilfreich auch die einzelnen Fachbereiche untereinander aufzuteilen. „So hat jeder immer eine konkrete Ansprechperson und uns beiden hilft es, in der Expertise noch tiefer einzusteigen.“
Ines und ihr Tandem-Partner waren vor über zwei Jahren eine der Ersten, die das neue Führungsmodell – „Joint Leadership“ bei BMW genannt – im Unternehmen ausprobiert haben. Möglich wurde das durch die Arbeit des Diversity-Ausschusses am BMW-Standort in München. Vorne mit dabei: Sonja Szicher und Elisabeth Altmann-Rackl. Sie haben als Betriebsrätinnen mit dafür gesorgt, dass das Modell in einer Betriebsvereinbarung verankert wurde. Auf das Thema sind sie durch eine vom Betriebsrat und dem Frauennetzwerk initiierte Umfrage zu Gleichstellungsfragen aufmerksam geworden.
Das Projekt ist ein „Selbstläufer“
„In der Summe wurde klar, es geht nicht um Entgelt, sondern um Vereinbarkeit und Work-Life-Balance“, sagt Elisabeth. „Unser Schluss war dann: Wenn wir was bewegen wollen, dann müssen wir oben anfangen.“ Die Erfahrung hat den Betriebsrätinnen gezeigt: Wenn die Chefs etwas dürfen, dann gestehen sie es auch ihren Mitarbeitenden eher zu. Ihre Vermutung war richtig. Mittlerweile gibt es 46 Tandem-Paare, die gemeinsam bei BMW in geteilter Führung arbeiten. „Das ist ein Selbstläufer. Unsere Zielmarke von 50 Tandem-Paaren bis 2025 knacken wir wohl schon Anfang nächsten Jahres“, sagt Sonja.
Natürlich steigen die Kosten für das Unternehmen, wenn eine Führungsposition mit einer Regelarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche auf zwei Personen mit jeweils bis zu 32h pro Woche aufgeteilt wird. „Das Budget hierfür muss dann im Vorhinein rechtzeitig organisiert werden“, sagt Elisabeth. Die Planstellenlogik von BMW wird ebenso in die Organisation dieser Stellen einbezogen wie auch der Betriebsrat. Sonja ist sich sicher, dass das Projekt auf diese Weise schon viel bewegt hat und funktioniert. „Wir legen sehr viel Wert, die jeweiligen Tandem-Paare so auszuwählen, dass sie von ihren Werten und Arbeitsweisen gut zusammenpassen und sich ergänzen. Das ist das A und O, damit die Zusammenarbeit dann auch funktioniert.“ Bislang musste noch keines der Paare die geteilte Führung aufgrund von Konflikten abbrechen.
Auch Männer wünschen sich kürzere Arbeitszeit
Auch Ines ist begeistert von der Zusammenarbeit und überzeugt, es muss menschlich passen. „Dann funktioniert das Modell einwandfrei.“ Im Alltag spiele ihre geteilte Führungsposition schon lange gar keine Rolle mehr. „Die Menschen adaptieren doch wahnsinnig schnell“, sagt sie. Geholfen dieses Vertrauen in eine neue Arbeitssituation zu schaffen, haben auch regelmäßige Feedbackrunden, die Ines und ihre Tandem-Partner mit den Beschäftigten halten. Gerade bei ihr im Bereich des Cost Engineerings wandeln sich durch die Transformation die Anforderungen an die Beschäftigten – und somit auch an die Führungskräfte. Hier kann das „Joint Leadership“ helfen, Kompetenzen zu bündeln, da ist sich Ines sicher. „Wir sind ein sehr innovativer Bereich. Ich stelle mir das schwierig vor die vielfältigen Anforderungen in einer Person zu vereinen.“
Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall und Aufsichtsrätin bei BMW, lobt den innovativen Ansatz: „Lange konnte man Führungskräfte in Teilzeit in etwa so häufig finden, wie Eisbären in der Wüste. Der IG Metall-Betriebsrat bei BMW macht damit endlich Schluss. Unter Beteiligung der Belegschaft wurde ein Modell mit Vorbildcharakter entwickelt - ein echter Beitrag zum Kulturwandel.“ Das verbessere das Arbeitsklima für alle – egal ob Mann oder Frau. „Und dies schafft Vorbilder“, sagt Christiane. „Denn Männer und Frauen wünschen sich mehrheitlich eine Wochenarbeitszeit im Bereich kurzer Vollzeit. Dies hat auch die Beschäftigtenbefragung der IG Metall unterstrichen.“