Synthetische Kraftstoffe in der Mobilitätswende
„E-Fuels retten den Verbrenner nicht“

Für welche Verbrenner-Autos kommen E-Fuels in Frage? Was werden sie kosten und wie steht es um die Technologieoffenheit? Die drängendsten Fragen zum Thema E-Fuels beantwortet Patrick Plötz, Leiter des Geschäftsfelds Energiewirtschaft beim Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung.

4. Oktober 20224. 10. 2022


Der neue VW Chef Oliver Blume hat in einem Interview mit der Automobilwoche gesagt: „Ohne E-Fuels wird die Welt die Pariser Klimaziele nicht erreichen. Einfach weil der Hochlauf der Elektromobilität zu langsam ist.“ Sehen Sie das auch so? Sind E-Fuels die Lösung?

E-Fuels halte ich nicht für die Lösung. Und Herr Blume wohl auch nicht. Im Interview sagt er auch, dass er an der Elektrifizierungsstrategie von Volkswagen festhält und sie sogar noch beschleunigen möchte. Ich denke, E-Fuels können unter Umständen übergangsweise für ein paar alte Bestandsfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren genutzt werden. Vergessen sollte man aber nicht: Ab 2035 gilt in der EU für Neufahrzeuge eine Nullemissionen-Grenze.
 

Das ist ein Verbrennerverbot durch die Hintertüre. Jetzt gibt es aber einen Prüfauftrag, ob es eine Ausnahme für mit E-Fuels betriebene Autos geben kann. Also doch die Möglichkeit Verbrenner, auch nach 2035, weiter zu verkaufen?

Nein. Das darf man nicht überbewerten. Wenn man sich den Kommissionstext genau anschaut ist das sehr eindeutig. Es ist das Ziel beschlossen: Null CO2 im Auspuff ab 2035 für die Neuwagenflotte. Nur steht in der Präambel jetzt, dass die Kommission prüfen wird, ob es vielleicht eine Möglich gibt, Verbrenner mit E-Fuels zu betreiben. Das steht nicht drin, dass es eine geben wird oder soll. Es ist nur ein Prüfauftrag.


Was spricht denn gegen die synthetischen E-Fuels?

Sie werden aus Wasserstoff hergestellt. Und Wasserstoff wird mindestens bis 2030 ein sehr knappes Gut sein, also schwer zu bekommen und damit sehr teuer. Folglich wird Wasserstoff dort eingesetzt werden, wo es keine Alternativen gibt, zum Beispiel im Flugverkehr oder in der Stahlproduktion.


Kann Biodiesel nicht den Verbrenner retten?

Biokraftstoffe sind beschränkt in Deutschland verfügbar und produzierbar. Zudem wollen auch andere Sektoren den Biodiesel haben – zum Beispiel Gaskraftwerke, LKW, Flugzeuge. Es ist also das gleiche Bild wie beim Wasserstoff. Das heißt: Biodiesel ist für Pkw nur eine Nischenlösung, wenn überhaupt. 


Also werden wir im PKW-Verkehr keine E-Fuels sehen? Niemals?

Der Debatte hilft es nicht, dogmatisch über ja und nein zu sprechen. Versachlichen wir das Ganze und sprechen darüber, wie viel E-Fuels beitragen könnten. Als Zugpferd für die Mobilitätswende machen E-Fuels keinen Sinn. Aber 2045, wenn Deutschland klimaneutral sein will, müssen auch die Bestandsfahrzeuge klimaneutral unterwegs sein. Da sind dann sicherlich noch ein paar ältere Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor dabei, die dann noch die letzten Jahre mit E-Fuels fahren können.


Vergleichen wir einen Liter Benzin mit einem Liter E-Fuel. Wenn mein Auto mit Verbrennungsmotor, sagen wir mal 7 Liter auf 100 Kilometer verbraucht, dann kostet mich dies Strecke bei einem Preis von E10, Super oder Diesel von um die 2 Euro, also 14 Euro. Wie viel bezahle ich, wenn ich mein Auto mit E-Fuels betanken würde?

Wahrscheinlich das Zwei- bis Dreifache.


Das ist ganz schön teuer.

Dem, der seinen alten Porsche nur einmal im Quartal zum Ausflug nutzt, ist das wahrscheinlich egal. Für alle Normalverdiener kommen E-Fuels nicht infrage. Interessant für den Oldtimer-Fahrer wird dann aber noch sein, wie gut die Motoren mit den synthetischen Kraftstoffen klarkommen. So richtig weiß das noch keiner, weil es mit synthetischen Kraftstoffen keine Langzeittests gibt. Auch wird er sich die Frage stellen müssen, wo er die E-Fuels überhaupt herbekommt. Denn die Tankstellen wird es immer weniger geben.


Häufig wird über Technologieoffenheit gesprochen. Der technologisch effizienteste Weg ein Auto anzutreiben ist batterieelektrisch. Braucht es dann noch Technologieoffenheit?

Technologieoffenheit ist ein Schlagwort, das gerne für die eigenen Zwecke missbraucht wird. Ich finde nicht, dass öffentliche Förderung oder politische Entscheidungen technologieoffen sein müssen. Ich sage, eine wissenschaftliche Studie muss erstmal technologieneutral sein. Das heißt, dass man keine Technologie ausschließt, sondern alle durchrechnet. Aber, wenn man dann nach vielen Rechnungen merkt, eine Technologie hat viele Vorteile und eine andere viele Nachteile, dann halte ich es für eine Steuerverschwendung und eine katastrophale unternehmerische Entscheidung, die Technologie mit den deutlichen Nachteilen weiter zu verfolgen.


Wenn Sie jetzt also VW Vorstand wären, wie viel Prozent ihres Investitionsbudgets würden sie dann in die Brennstoffzelle oder in den Verbrenner für E-Fuels investieren?

Null und da wäre ich in guter Gesellschaft. Die Industrie hat sich entschieden. Die Hersteller bündeln ihre Investitionen bezüglich Forschung und Entwicklung sowie neuer Werke in Elektrofahrzeuge. An anderer Stelle verschlanken sie die Modellpaletten. Da gibt es Modelle nicht mehr mit vier verschiedenen Dieselmotoren, sondern erstmal nur noch mit zweien und irgendwann nur noch als Benziner und dann irgendwann gibt es den gar nicht mehr. Selbst wenn es weiterhin eine kleine Nachfrage nach Verbrenner gibt, werden sie die Modelle auslaufen lassen, denn die binden Produktionskapazität, die sie für den Hochlauf der Elektromobilität brauchen.


Wird der Verbrenner mit E-Fuels eine Zukunft in Ländern haben, in denen Energie künftig im Überfluss vorhanden sein wird. Zum Beispiel in Marokko, weil da viel Sonne scheint?

Man darf dabei den Export nicht vergessen. Die Länder werden wohl eher Überflüssige Energie exportieren, als sie verschwenden. Man muss dann wahrscheinlich zwischen den Ländern mit einem großen Bruttoinlandsprodukt und denen mit einem niedrigen unterscheiden. In Saudi-Arabien werden sie den Ferrari vielleicht mit E-Fuels betanken, weil dem Scheich der höhere Preis egal ist. In Marokko, beim Normalbürger, wird das nicht so sein. Wenn die zu einem günstigen Preis gebrauchte Elektroautos aus Europa bekommen, werden sie die fahren. Klar ist aber auch, das Ausscheiden des Verbrenners wird in bestimmten Ländern wie Brasilien oder Südafrika später geschehen, als bei uns in Europa.


Der CO2-Rucksack ist beim Elektroauto viel größer als beim Verbrenner. Also bei der Herstellung eines Verbrenners emittiert man viel weniger CO2. Bevor wir die E-Fuels ausschließen, müssen wir aus Klimagründen doch dieses Argument betrachten. 

Das ist ein Argument, das sich bald erledigt haben wird. Ersten ist der CO2-Rucksack der Elektroautos schon viel kleiner geworden und er verschwindet bald ganz. Denn nicht nur der Verkehr wird klimaneutral werden müssen, sondern auch die Produktion. Sprich, wenn künftig die Stahl- und Batterieproduktion in Europa klimaneutral ist, dann ist es auch das Produkt Elektroauto. Übrigens, für die klimaneutrale Stahlproduktion brauchen wir viel Energie beziehungsweise Wasserstoff. Es ist also nochmal eher ein Argument für die Elektroautos und gegen E-Fuels.


Wo macht der Einsatz von E-Fuels Sinn, wenn schon nicht im PKW?

Das wird von drei Faktoren bestimmt: Technisches Potenzial, Kosten und Zeitskalen. So deutet alles auf den Flug- und Schiffsverkehr hin. Auch nur, weil es hier wenig andere Alternativen gibt. Ausnahmen sind kurze Distanzen. Einige Fähren fahren schon rein elektrisch und beim Fliegen könnte das eventuell auch kommen. Wenn es um Interkontinentalflüge geht, dann führt wohl nichts an E-Fuels vorbei. Bei Schiffen, die große Distanzen überwinden müssen, könnte es aber vielleicht doch noch die Brennstoffzelle werden oder Ammoniak, der verbrannt wird.

Hintergrundinformation: E-Fuels

E-Fuels: Was sie leisten können – und was nicht (Hintergrundinformation)

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Zugehörige Dokumente:

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