„Die Transformation ist ein deutlich größerer und längerer Prozess, als alle bisher bekannten und erlebten Strukturwandel“, sagt Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall. Die besondere Herausforderung bei der Transformation sei, dass der Weg von Zustand A zu Zustand B nicht vorgegeben ist. Vielmehr sei Transformation die Frage, wie der Weg aussehen soll. Das wäre eine Herausforderung, aber auch eine Chance, eine Chance, um die ökologische Transformation fair, sozial und demokratisch zu gestalten, so Hofmann.
Die Transformation hin zur Klimaneutralität findet in vielen Branchen der IG Metall statt, zum Beispiel in der Grundstoffindustrie, in der Energieversorgung oder in der Automobilindustrie. Eine ihrer zentralen Dimensionen ist neben der Energiewende die Mobilitätswende. Dazu hat die IG Metall nun ein Debattenpapier erstellt. Input lieferten Betriebsrätinnen und Betriebsräte, Vertrauensleute sowie Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft bei mehreren Regional- und Online-Konferenzen, die die IG Metall in den vergangenen Monaten durchführte. Im Oktober wird die IG Metall sich bei ihrem Gewerkschaftstag Ziele für die kommenden vier Jahre setzen. Das Debattenpapier soll dafür die Diskussionsgrundlage bieten, wie die Gewerkschaft die Mobilitätswende konkret in den kommenden Jahren mitgestalten möchte.
Vielfalt statt Grabenkämpfe
Erschwert wird die Transformation durch hohen Zeitdruck. Die Schäden durch die Veränderung des Klimas werden jedes Jahr deutlicher, wir stecken bereits mitten in der Klimakrise. Es sind nicht mehr viele Jahre bis Deutschland klimaneutral sein will: Treibhausgasneutralität bis 2045 ist die Vorgabe. Dabei hat besonders der Verkehr noch einen Großteil der Strecke dahin vor sich. Bislang erreicht der Verkehr die im Klimaschutzgesetz für ihn vorgegeben Zwischenziele nicht. Ein Bremser ist, dass unterschiedlich Bereiche der Mobilität gegeneinander antreten auch im Kampf um die Aufmerksamkeit der Politik sowie Fördermittel und Investitionen: Schiene gegen Straße gegen Radweg gegen Binnenschifffahrt und Luftverkehr. Neue Antriebsarten und Mobilitätskonzepte gegen Mobilitätsverzicht. Schnell wird es dann zu einer ideologischen Diskussion und Grabenkämpfen. „Mit dem Debattenpapier wollen wir die Leute in der Debatte aus den Gräben herausholen“, erklärt Ralph Obermauer, Leiter der Stabsstelle Mobilität und Fahrzeugbau in der IG Metall. Der Metaller verdeutlicht, warum es nicht nur in eine Richtung gehen darf, sondern mehrere Wege gleichzeitig beschritten werden müssen: „Es braucht jetzt viele Maßnahmen gleichzeitig: Verlagerung von Verkehr auf die Schiene, Ausbau des öffentlichen Personenverkehrs, Vernetzung der Transportmittel und vor allem neue Antriebe für den PKW Verkehr und den Straßengüterverkehr durch LKW, der in den kommenden Jahren eher zunehmen, statt abnehmen wird“, so Obermauer.
Sichere Jobs und preiswerte Mobilität
Die Zielstellung ist für Jörg Hofmann klar: „Die Menschen brauchen auch in Zukunft sichere und gute Jobs, preiswerte Mobilität, und eine gesunde Umwelt für sich und ihre Kinder.“ Und wie können wir das Ziel erreichen? Dafür werfen wir einen Blick in die Einleitung des Debattenpapiers. Dort steht geschrieben: „Wir brauchen einen ganzheitlichen Blick auf notwendige Weichenstellungen in der Industrie- und Strukturpolitik, in der Arbeitsmarktpolitik, für Beschäftigungssicherung und Qualifizierung. Forderungen an den Gesetzgeber sind die eine Seite der Medaille. Als Industriegewerkschaft aber müssen auch wir überlegen, mit welchen betriebs-, unternehmens- und tarifpolitischen Instrumenten wir den Wandel aktiv begleiten können und welche Anforderungen an unser organisationales Handeln gestellt werden.“ Und wird der IG Metall so gelingen, die Mobilitätswende positiv zu gestalten? Ja, sagt Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall, und erläutert: „Wir haben einen Plan, wie die Transformation laufen muss, das macht mich zuversichtlich.“ Und auch Jörg Hofmann ist optimistisch: „Wir haben 132 Jahre Erfahrung mit technischem Fortschritt“, sagt er und lacht. Klar ist für ihn aber auch: „Die Transformation gelingt nur, wenn die Menschen sie aktiv mitgestalten. Und das klappt nur mit echter Diskussion und nicht mit Parolen.“