IG Metall fordert konkrete Umsetzung einer Sozialen Säule
„Wir brauchen mehr als ein Feigenblatt“

Beim EU-Gipfel in Göteborg geht es darum, die „Soziale Säule“ in Europa zu verankern, die die Rechte von Arbeitnehmern stärken würde. Die IG Metall fordert mehr Verbindlichkeit. Sonst bleibt das Vorhaben ein Papiertiger.

16. November 201716. 11. 2017


Morgen treffen sich die Regierungs- und Staatschefs der EU-Länder in Göteborg. Bei dem Treffen geht es darum, das zu konkretisieren, was Kommissionspräsident Juncker ins Gespräch gebracht hatte. Mit einem gemeinsam unterzeichneten Dokument soll die „Europäische Säule sozialer Rechte“ aus der Taufe gehoben werden. Die IG Metall begrüßt die Initiative im Grundsatz. „Wir wollen eine starke europäische Säule sozialer Rechte“, erklärt IG Metall-Vorstandsmitglied Wolfgang Lemb. Die Säule könnte die Errichtung eines sozialeren Europas unterstützen, indem es allen Playern auf europäischer Ebene als Orientierung dient: Den Mitgliedstaaten, den Sozialpartnern sowie dem EU-Parlament und der Kommission selbst.

„Um das, was morgen in Göteborg unterzeichnet wird, auch umzusetzen, brauchen wir aber einen Aktionsplan“, betont Lemb. Die 20 Prinzipien umfassende Erklärung sei ein wichtiges Statement für die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Europa. „Doch damit es nicht bei einer reinen Symbolpolitik bleibt, müssen schönen Worten auch entsprechende Taten folgen“, betonte Lemb.

Für die IG Metall sind dabei zwei Prinzipien der Säule besonders interessant. Prinzip acht bekräftigt die Regelung, die Sozialpartner, also auch die Gewerkschaften, bei der Konzeption und Umsetzung der Wirtschafts –, Beschäftigungs- und Sozialpolitik gemäß den nationalen Verfahren anzuhören. Sie sollen darin bestärkt werden, Kollektivverträge über sie betreffende Fragen auszuhandeln und zu schließen, und zwar unter Wahrung ihrer Autonomie und des Rechts auf Kollektivmaßnahmen. Das Recht der Arbeitnehmer oder ihrer Vertretungen auf rechtzeitige Unterrichtung und Anhörung in für sie relevanten Fragen bekommen, insbesondere beim Übergang, der Umstrukturierung und der Fusion von Unternehmen und bei Massenentlassungen, soll gewahrt werden. „Wenn diese Rechte überall in Europa auch tatsächlich geachtet und einklagbar wären, würde es zu mehr Tarifbindung in Europa führen und die Mitbestimmung stärken“, meint Lemb.

Begrüßenswert ist auch, was unter Prinzip neun formuliert wird. Eltern und Menschen mit Betreuungs- oder Pflegepflichten sollen überall in Europa das Recht auf angemessene Freistellungs- und flexible Arbeitszeitregelungen sowie Zugang zu Betreuungs- und Pflegediensten haben. Frauen und Männer sollen gleichermaßen Zugang zu Sonderurlaub für Betreuungs- oder Pflegepflichten bekommen und werden darin bestärkt, dies auf ausgewogene Weise zu nutzen. Wenn alles berücksichtigt wird, was in den Prinzipien zur Sozialen Säule steht, wäre nicht alles, aber vieles in Butter. Oder zumindest besser, als es heute ist. Es könnte auch die Identifikation der Bürger mit Europa stärken. Denn die Belange von Beschäftigten würden endlich mehr Berücksichtigung finden – ganz so, wie es die Gewerkschaften seit Jahren fordern.

Allerdings ist das Rahmendokument rechtlich bisher nicht bindend. Die Prinzipien der Sozialen Säule haben mehr deklaratorischen Charakter, was die Gewerkschaften kritisieren. „Wir brauchen mehr als ein soziales Feigenblatt, das die sozialen Unwuchten Europas unzureichend kaschiert“, sagte Wolfgang Lemb. „Nur als Wirtschaftsgemeinschaft, ohne eine starke Säule sozialer Rechte wird Europa weiter an Zustimmung verlieren“, sagte Lemb. „Darum brauchen wir einen Kurswechsel in Europa und neben den ökonomischen auch verbindliche soziale Rechte.“ 

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