Urteil des Bundesarbeitsgerichts
Krank am freien T-ZUG-Tag? Anspruch bleibt erhalten

Wenn ein Arbeitnehmer an einem freien T-ZUG-Tag krank ist, dann bleibt sein T-ZUG-Anspruch erhalten. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Ein Beschäftigter der Eisengießerei Baumgarte in Bielefeld hat mit Hilfe seines Betriebsrats und der IG Metall durch alle Instanzen gewonnen.

9. März 20229. 3. 2022


„Der tarifliche Anspruch auf bezahlte arbeitsfreie Tage, der an die Stelle des Anspruchs auf ein tarifliches Zusatzgeld nach dem Tarifvertrag T-ZUG tritt, wird nicht erfüllt, wenn der Arbeitnehmer am Freistellungstag arbeitsunfähig erkrankt ist.“

Das hat jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) höchstrichterlich entschieden (Urteil vom 23. Februar 2022 – 10 AZR 99/21).

Bedeutet im Klartext: Wenn Du an Deinem freien T-ZUG-Tag krank wirst, dann ist Dein T-ZUG nicht abgefahren, sondern bleibt Dir erhalten.

Geklagt hatte ein IG Metall-Mitglied bei der Eisengießerei Baumgarte in Bielefeld (Foto oben) – mit Hilfe der IG Metall und seines Betriebsrats.

„Der Arbeitgeber hat gesagt: Jetzt warst du krank, die Tage waren aber schon verplant, Pech gehabt“, berichtet Sebastian Reinz, Betriebsratsvorsitzender bei Baumgarte. „Da haben wir gesagt: Da gehen wir dagegen vor. Denn für uns steht das klar im Tarifvertrag: Kann der Freistellungsanspruch aus personenbedingten Gründen nicht genommen werden, dann besteht zumindest Anspruch auf das tarifliche Zusatzgeld.“
 

BAG-Urteil bringt Nachzahlungen für viele

Der klagende Beschäftigte war nicht allein mit seinem Fall bei Baumgarte. Der Arbeitgeber hat bei mehreren Beschäftigten den Tarifvertrag (Manteltarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie NRW) zu seinen Gunsten ausgelegt – und das T-ZUG der erkrankten Beschäftigten für sich behalten.

Bei der Eisengießerei Baumgarte nutzen viele Beschäftigte die Option auf freie Tage zur Entlastung von der schweren Arbeit, auf Anraten ihres Betriebsrats. 2021 beantragten 65 der 234 Beschäftigten die freien T-ZUG-Tage, 50 von ihnen waren Schichtarbeiter. Doch gerade in der Corona-Zeit waren viele krankgeschrieben und konnten ihre geplanten freien Tage daher nicht nutzen.

Etliche haben mit Hilfe ihres Betriebsrats ihr T-ZUG geltend gemacht – und einige mit Hilfe der IG Metall geklagt, bis zum Landesarbeitsgericht. Sie alle bekommen jetzt nach dem Erfolg ihres Kollegen vor dem BAG zumindest eine Nachzahlung.

Auch in anderen Betrieben der IG Metall Bielefeld haben IG Metall-Mitglieder ihren tariflichen Anspruch geltend gemacht. „Wir haben schon seit 2019 unsere Betriebsräte und Mitglieder zum T-ZUG bei Krankheit mobilisiert“, erklärt Oguz Önal, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Bielefeld. „Die Beschäftigten mit guten Betriebsräten bekommen jetzt eine Nachzahlung.“

Eventuell können sie sogar ihre freien T-ZUG-Tage aus früheren Jahren noch einmal nachträglich nehmen. Darauf deutet der Text in der Pressemitteilung des BAG hin: „Die Auslegung des Manteltarifvertrags ergibt, dass der Anspruch auf Freistellung an Tagen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllt werden kann. Er besteht als originärer Erfüllungsanspruch fort und ist grundsätzlich nicht auf das Kalenderjahr befristet.“

Betriebsrat und IG Metall warten nun noch auf die Urteilsbegründung des BAG, die in rund vier Wochen zu erwarten ist.
 

Rechtsanspruch nur für IG Metall-Mitglieder

Das Tarifliche Zusatzgeld (T-ZUG) ist eine jährliche Sonderzahlung in tarifgebundenen Betrieben der Metall- und Elektroindustrie, die es seit 2019 gibt. Beschäftigte mit Kindern, Pflege oder in Schichtarbeit haben die Option, das T-ZUG in freie Tage umzuwandeln. Die IG Metall hat das T-ZUG in der Metall-Tarifrunde 2018 durchgesetzt. 1,5 Millionen IG Metall-Mitglieder haben damals mit Warnstreiks Druck gemacht.

Rechtlichen Anspruch auf das T-ZUG haben – wie bei allen tariflichen Leistungen – nur Mitglieder der IG Metall. Voraussetzung für die Geltendmachung und Klage (Achtung Frist drei Monate) ist daher die Mitgliedschaft in der IG Metall.
 

T-ZUG-Tag bei Krankheit geltend machen

Wichtig: Wenn Du an Deinem freien T-ZUG-Tag krank bist, dann musst Du Dich arbeitsunfähig melden, eventuell krankschreiben lassen und – wie bei Krankheit im Urlaub – Deinen T-ZUG-Tag schnellstmöglich beim Arbeitgeber geltend machen. Bei Fragen und Problemen hilft Dir Dein Betriebsrat oder Deine IG Metall-Geschäftsstelle vor Ort.

Mehr zu „Arbeitsrecht“
Ein Arbeitsvertrag liegt auf einem Schreibtisch, darauf liegt eine Brille, daneben steht ein Laptop, an dem jemand arbeitet

ArbeitnehmerüberlassungOffenlegung von Leiharbeit

Zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher kann ein Arbeitsverhältnis entstehen, wenn zwischen Verleiher und Entleiher kein wirksamer Überlassungsvertrag geschlossen wurde. Dies hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.

ein Würfel mit Paragraf darauf ist eingeklemmt zwischen den Köpfen zweier Spielfiguren

AusschlussfristenRückforderung eines Arbeitgeberdarlehens

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass auch der Anspruch des Arbeitgebers, ein dem Arbeitnehmer gewährtes Darlehen zurückzuzahlen, verfallen kann.

ein Würfel mit Paragraf darauf ist eingeklemmt zwischen den Köpfen zweier Spielfiguren

BAG-Urteil zur StichtagsregelungJahresbonus bleibt bei Eigenkündigung erhalten

Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts bringt wichtige Klarstellungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Zusammenhang mit Bonuszahlungen bei Eigenkündigung. Es befasst sich mit der Frage, inwieweit Stichtagsklauseln in Bonusvereinbarungen rechtlich haltbar sind.

eine Überwachungskamera in einem Großraumbüro

Videoüberwachung und KündigungArbeitsrecht vs. Datenschutzrecht

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass offene Videoaufnahmen zum Nachweis vorsätzlicher Pflichtverstöße von Mitarbeitenden grundsätzlich verwertbar sind.

ein Würfel mit Paragraf darauf ist eingeklemmt zwischen den Köpfen zweier Spielfiguren

BetriebsverfassungsrechtMitbestimmung beim Arbeitsentgelt

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass der Betriebsrat mitbestimmen darf, wenn der Arbeitgeber die Regeln für Gratifikationen ändert.

Versorgungszusagen Betriebsrente nach einem Betriebsübergang

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass sich die zwingenden Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs auch auf endgehaltsbezogene Versorgungszusagen erstrecken. Erteilte Versorgungszusagen sind daher vom Erwerber wie zugesagt zu erfüllen und werden nicht eingefroren.

Eine Frau meldet sich während eines Seminars.

BetriebsratsschulungArbeitgeber muss Schulung in Präsenz bezahlen

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Betriebsräte auch dann Präsenzveranstaltungen für ihre Schulungen wählen können, wenn diese teurer sind als Onlineseminare.

Rechtsanwältin sitzt im Büro und arbeitet an einem Laptop

Kosten des BetriebsratsArbeitgeber hat keinen Regressanspruch

Der Betriebsrat kann einen Anwalt zur Wahrnehmung seiner Interessen heranziehen. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass der Arbeitgeber bezahlte Anwaltskosten nicht vom Betriebsrat zurückverlangen kann.

Ein Richterhammer liegt auf einem Tisch vor einem gelben Schutzhelm im Hintergrund als Symbolbild für Arbeitsrecht

AktualisiertHandlungshilfe 27: Kündigungsschutz

Damit die betriebliche Interessenvertretung auch in Zukunft ihre Arbeit erfolgreich leisten kann, haben wir die Broschüre aus der Roten Reihe überarbeitet und den aktuellen Stand der Rechtsprechung eingearbeitet.

schwarze Tastatur

Elektronische BewerbungsunterlagenBetriebsräte müssen digitale Dokumente akzeptieren

Der Arbeitgeber kann den Betriebsrat auch über eine geplante Einstellung unterrichten, indem er dem Betriebsrat Einsicht in ein digitales Bewerbermanagement-Tool gewährt. Papierunterlagen sind laut Bundesarbeitsgericht für eine ordnungsgemäße Unterrichtung nicht erforderlich.

Person unterschreibt ein Dokument

Befristung von ArbeitsverhältnissenÄnderung des Tätigkeitsbeginns unterliegt nicht der Schriftform

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass für eine wirksame Befristung des Arbeitsvertrags ein schriftlich fixierter kalendermäßig bestimmter Endtermin ausreicht.

Social Media Kanäle Handy

Urteil des BundesarbeitsgerichtsBeleidigung in einer Chatgruppe rechtfertigt fristlose Kündigung

Inwieweit ist eine unangemessene Kommunikation unter Arbeitskollegen in privaten Chatgruppen vertraulich oder kann zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen führen? Ein neues BAG-Urteil hat weitreichende Folgen für die Kommunikation am Arbeitsplatz, in der Freizeit und für den privaten Umgang im Internet.

Neu auf igmetall.de

Newsletter bestellen