Teilzeitarbeit: IG Metall fordert ein Rückkehrrecht zur Vollzeit
Die Teil-Zeitfalle

Wer nach ein paar Jahren Teilzeit, wenn etwa die Kinder aus dem Gröbsten heraus sind, wieder Vollzeit arbeiten will, beißt bei Arbeitgebern oft auf Granit und sitzt in der Teilzeitfalle. Die IG Metall fordert deshalb seit Langem ein Rückkehrrecht in Vollzeit. Nun bewegt sich die Politik.

6. März 20176. 3. 2017


Da musste Betriebsrat Harald van Bonn beinahe lachen. Der Arbeitgeber sperrte sich gegen den Vorschlag, Teilzeit auf Wunsch zu befristen. Die Begründung: Mit Beschäftigten, die nur für eine Zeit lang weniger Stunden arbeiten wollen, könne man nicht planen. „Ausgerechnet bei uns in der IT, wo ständig Flexibilität gefordert ist“, sagt der Betriebsratsvorsitzende des Kölner IT-Dienstleisters Gothaer Systems.

Arbeitgeber können nicht immer Flexibilität fordern und selbst keine bieten, machte der Betriebsrat klar. Eine Vereinbarung bekam er nicht, aber der Arbeitgeber erklärte sich bereit, auf die Wünsche der Beschäftigten einzugehen, wenn sie es begründen. „Bislang wurde meines Wissens noch niemandem eine befristete Teilzeit verweigert“, sagt van Bonn.


Flexibilität ist keine Einbahnstraße

Gut zehn Millionen Menschen arbeiten Teilzeit. Fast 80 Prozent von ihnen sind Frauen und ein guter Teil – 39 Prozent – würde gerne länger arbeiten, kann es aber nicht. Ein Rückkehrrecht in Vollzeit gibt es bislang nicht. Betriebsräte wie van Bonn müssen es mühsam aushandeln und oft wird von Einzelfall zu Einzelfall entschieden. Für viele Beschäftigte bedeutet das, sie stecken in der Teilzeitfalle fest.

Um das Recht auf Teilzeit haben Gewerkschaften lange gekämpft. Seit 2001 steht es im Gesetz und die Zahl der Teilzeitbeschäftigten ist gestiegen, vor allem unter Frauen. 2015 arbeiteten im Vergleich zu 1985 gut 15 Prozent mehr Frauen in Teilzeit. Doch nach dem ersten Jubel, „Hurra, wir haben ein Recht auf Teilzeit“, fühlten sich Gewerkschafterinnen und vor allem berufstätige Frauen ernüchtert. Teilzeit baut für die wenigsten eine Brücke zwischen Familienarbeit und beruflicher Tätigkeit, die ihnen eine eigenständige Existenz sichert. Oft fehlen Konzepte, Beschäftigte in Teilzeit entsprechend ihrer Qualifikation einzusetzen.

Reagiert wird meist aus dem Bauch heraus: „Huch, da kommt jemand aus der Elternzeit. Oh, sie will Teilzeit arbeiten. Was machen wir jetzt mit ihr?“ Viele landen in einer Sackgasse, ohne Chance, beruflich und finanziell voranzukommen. Teilzeit und Führung geht immer noch selten Hand in Hand, wie eine aktuelle Studie der Hans-Böckler-Stiftung zeigt. Danach haben nur elf Prozent der Teilzeitbeschäftigten Führungsaufgaben oder arbeiten im Management.


Im besten Fall Stillstand

Wie sehr Teilzeit Frauen ausbremst, sieht Monika Müller-Bertrand, Betriebsrätin bei Daimler in Stuttgart, zum Beispiel bei höher qualifizierten Frauen wie Betriebsingenieurinnen: „Diese Berufsgruppe steigt in der Regel in drei bis vier Jahren zwei Entgeltgruppen auf. Für Frauen ist es dabei generell schwieriger, die Zielentgeltstufe zu erreichen. Aber in Teilzeit ist es so gut wie unmöglich.“

Die Betriebsrätin sieht immer wieder Kolleginnen, die als Teilzeitkraft nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten, deren Karriere im besten Fall stillsteht und im schlimmsten den Bach runtergeht. „Deshalb raten wir Kolleginnen seit Jahren, nur befristet in Teilzeit zu gehen.“ Bei Daimler funktioniert es vielfach auch ohne Betriebsvereinbarung. Aber ein Rechtsanspruch würde die Situation für viele Frauen verbessern, findet Monika Müller-Bertrand.

Bewegung könnte ein Gesetzentwurf von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles bringen. Er sieht vor, dass Beschäftigte zukünftig befristet Teilzeit arbeiten und anschließend in Vollzeit zurückkehren. Dass sich die Politik bewegt, ist auch ein Erfolg der Gewerkschaften. Die IG Metall und alle anderen DGB-Gewerkschaften fordern seit Jahren ein Rückkehrrecht von Teil- in Vollzeit.


Die Politik bewegt sich – ein gewerkschaftlicher Erfolg

Allerdings sehen sie an einigen Stellen noch Nachbesserungsbedarf. Für alle, die schon in Teilzeit arbeiten, verbessert sich kaum etwas. Die im Gesetzesentwurf vorgesehenen Änderungen beim Anspruch auf Aufstockung der Arbeitszeit sind bei weitem nicht ausreichend. Ein allgemeines anlassunabhängiges Recht auf Rückkehr zur Vollzeit für die bereits in Teilzeit arbeitenden Beschäftigten sieht der Entwurf nicht vor. Außerdem soll der Anspruch auf Teilzeit nur für Betriebe ab 15 Beschäftigte gelten. Frauen arbeiten häufig in kleinen Betrieben, viele könnten das Recht daher nicht in Anspruch nehmen.

Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall, findet, dass auch Arbeitgeber ein Interesse daran haben müssen, wenn Teilzeitbeschäftigte ihre Arbeitszeit verlängern wollen. „Angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels sollten Unternehmen nicht auf Frauen verzichten, die Vollzeit arbeiten wollen.“

Auch wenn bei Gothaer Systems bislang niemandem der Wunsch auf eine befristete Teilzeit verwehrt wurde, begrüßt Betriebsrat van Bonn einen möglichen Rechtsanspruch. „Bei uns müssen die Leute es ja begründen. Da muss quasi jeder die Hosen runterlassen. Das stört uns als Betriebsrat.“ Seit Teilzeit auch befristet werden kann, nutzen das nicht nur Frauen für Kinder oder Pflege. Manche arbeiten auch für eine Weiterbildung oder der Gesundheit zuliebe kürzer. „Das möchte man seinem Arbeitgeber aber nicht unbedingt erklären“, sagt van Bonn.

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