VW Nutzfahrzeuge in Hannover
Star Wars statt Schmieröl: Digitale Ausbildung bei VW

Digitalisierung verändert die Arbeitswelt grundlegend. In den Produktionshallen werden neue Anforderungen gestellt, es entstehen neue Tätigkeiten. Bei Volkswagen Nutzfahrzeuge in Hannover werden die Auszubildenden auf die neue, digitale Arbeitswelt vorbereitet. Zu Besuch in der Ausbildungswerkstatt.

17. Februar 201717. 2. 2017


Profi-Bot bewegt sich leise über den Boden. Auf zwei großen und einem kleinen Rad fährt er durch den Gang in der Ausbildungswerkstatt bei Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN) in Hannover. Mit seinen beiden Scheinwerfern scheint er die Sockel der Werkbänke zu begutachten. Entfernt erinnert der Roboter an R2-D2, den kleinen Roboter aus „Star Wars“. Aber seine Selbstständigkeit ist noch nicht so ausgeprägt wie bei dem Filmstar. An einer mannshohen Steuereinheit steht Tim Ostermeier. Der Auszubildende bedient Profi-Bot über WLAN. Nach und nach bringen er und seine Azubi-Kollegen ihm neue Fähigkeiten bei.

Tim Ostermeier erwirbt auf diese Weise ebenfalls neue Fähigkeiten. Der 20-Jährige und seine 27 Kolleginnen und Kollegen, die ebenfalls eine Ausbildung zum Mechatroniker bei VWN machen, bekommen ganz neue Ausbildungsinhalte vermittelt. Dasselbe gilt für die 42 Azubis im Berufsfeld Elektroniker für Automatisierungstechnik.

„Wir müssen den Azubis beibringen, was an Fertigkeiten zukünftig im Werk benötigt wird. Mit Profi-Bot vermitteln wir Grundlagen zu selbstfahrenden Transportsystemen“, erklärt Andreas Strasser, der Ausbilder von Tim. In den Produktionshallen werden neue Anforderungen gestellt, das gilt zukünftig verstärkt.

Walter Deterding, Betriebsrat und stellvertretender Sprecher des Bildungsausschusses, erklärt das so: „Bisher funktionieren Anlagen und Roboter als geschlossene Einheiten. Bald werden wir ganze Hallen haben, die als ein System zusammenarbeiten.“

Dabei komme es auf Datenflüsse an, also die Kommunikation der Anlagen und Roboter untereinander. „Und das Verständnis zwischen Mensch und Maschine ist dabei natürlich entscheidend. Die jungen Auszubildenden müssen ein ganzheitliches Organisationsverständnis erwerben.“ Das seien die Anforderungen der Digitalisierung. Industrie 4.0 – mit diesem Schlagwort bezeichnet man eine vernetzte Datenverarbeitung und -übertragung in den Produktionshallen. Mit dem Begriff wird aber auch die Entstehung ganz neuer Produktionsverfahren und Technologien beschrieben. Für den Nachwuchs gibt es viel zu lernen.


Ausbildung wird modernisiert

Walter Deterding ist einer der Experten, die derzeit die Neuordnung der Rahmenlehrpläne vorbereiten. Volkswagen entwickelt in Kooperation mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung Vorschläge für die künftige Berufsbildung in Deutschland. Das ist ein langwieriger Prozess. In der Zwischenzeit werden bei Volkswagen in Hannover und an anderen Standorten bereits neue Inhalte gelehrt. Die Zentrale Anlagenüberwachung zum Beispiel, 3D-Design und Druck, die Radio-Frequenz-Identifikation zur Steuerung, Kontrolle und Dokumentation von Einzelteilen oder die 3D-Umgebungssensorik – eine Technik, die schon im Profi-Bot eingebaut ist.

Oder auch die sogenannte virtuelle Inbetriebnahme. Niklas Henkel und Jannik Schramke sitzen vor Bildschirmen und beginnen damit, am Computer ein Hochregallager und die dazugehörigen Transportbänder zu planen. „Sie können so gleich sehen, ob das später funktionieren wird“, erläutert Andreas Strasser.

Die Bildschirmoberfläche sieht dabei aus wie in einem realistischen Computerspiel – deshalb wird diese neue Art des Lernens auch „Gamification“ genannt. „Wenn wir morgens die Azubis reinlassen, setzen die sich schon vor Unterrichtsbeginn an den Rechnen und programmieren an ihren Anlagen“, freut sich Strasser über die motivierten Mechatroniker.


Mechatroniker statt Nerds

„Generell geht es darum, Berufe wie den Mechatroniker zu stärken und ihn nicht zu degradieren“, gibt Walter Deterding die Richtung vor. Sonst würde es irgendwann nur noch Computer-Nerds geben, die nichts mehr von Anlagen und ihren mechanisch-elektronischen Zusammenhängen verstünden. Niemand dürfe bei den Veränderungen unter die Räder kommen. „Der Mensch muss weiter im Mittelpunkt stehen und im Bedarf die nötige Weiterbildung bekommen“, sagt der Betriebsrat.

Die Digitalisierung wird aber auch in anderen Ausbildungsberufen Einzug halten. Für Lagerlogistiker und kaufma?nnische Berufe ist die Integration schon in Vorbereitung. Perspektivisch werden alle Ausbildungsberufe am Standort Hannover neu ausgerichtet. Die Digitalisierung und die immer kürzer getakteten Veränderungen sind etwas, mit denen sich die Auszubildenden von heute in ihrem gesamten Berufsleben beschäftigen werden. Davon sind alle Ausbildungsverantwortlichen bei VWN überzeugt.

Tim Ostermeier hat noch ein Ziel: Er will Profi-Bot beibringen, sich durch Smartphone oder Tablett steuern zu lassen. Das ist viel Arbeit. Wenn die Zeit nicht reicht, gibt er diese Idee an den nachfolgenden Azubi weiter, der sich dann um den Roboter kümmern wird.

Sozialpolitik

Neu auf igmetall.de

Newsletter bestellen