Bagatellkündigung
Nein, es ist keine Bagatelle, dem Chef 1,30 Euro zu unterschlagen. Aber es ist auch kein zwingender Grund für eine Kündigung. Mit seiner Entscheidung im Fall „Emmily“ hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) seine bisherige Rechtsprechung geändert. Galt bislang oft der Grundsatz: „Wer stiehlt, fliegt.“ heißt es nun: „Kommt drauf an.“ Im Fall der Kassiererin entschieden die Richter, dass ihr Arbeitgeber sie weiterbeschäftigen muss. Schließlich arbeitete sie 31 Jahre bei ihm. Vertrauen, das in so langer Zeit gewachsen ist, kann nicht vollständig durch das unerlaubte Einlösen von Pfandbons über 1,30 Euro eingebüßt werden.
Kein Freibrief
Dieses Urteil ist kein Freibrief für kleine Straftaten am Arbeitsplatz. Auch wer kleinere Schäden anrichtet, riskiert seinen Job. Das Urteil bedeutet aber auch, dass bei einer Kündigung alle Interessen abgewogen werden müssen. Selbst dann, wenn ein Arbeitnehmer tatsächlich gestohlen hat. Denn dem Schaden und Vertrauensverlusts des Arbeitgebers stehen die schwerwiegenden Folgen für den Gekündigten gegenüber. Ob eine Kündigung gerechtfertigt ist, hängt unter anderem davon ab, ob das Delikt den Kernbereich der Arbeitsaufgaben berührt und ob es sich eignet, das erworbene Vertrauen engültig zu zerstören.
Im Fall „Emmily“ entschied das Gericht: 31 Dienstjahre ohne Fehltritt wiegen schwerer als ein unerlaubt eingelöster Pfandbon. Eine Abmahnung reiche aus. Die Entscheidung des BAG wirkt sich übrigens nicht nur auf Diebstähle aus. Auch vor anderen verhaltensbedingten Kündigungen – wie etwa bei Rangeleien oder Beleidigungen – müssen alle Umstände berücksichtigt werden.