Leerverkäufe
Was würde ein Kunde tun, dem ein Obsthändler auf dem Wochenmarkt Erdbeeren anbietet, die er nicht hat? Wenn ihm der Händler vorschlägt: „Du bekommst das Schälchen für 2,90 Euro – soviel kosten sie bei der Konkurrenz – und ich liefere nächste Woche.“ Denn der Händler glaubt: AmWochenende scheint die Sonne. Es werden viele Erdbeeren gepflückt, die dann nur 1,90 pro Schälchen kosten. Wahrscheinlich würde der Kunde zur Konkurrenz gehen, Erdbeeren kaufen und essen.
Eine Wette
Auf dem Wochenmarkt funktioniert die Methode wohl nicht, auf dem Finanzmarkt schon. Denn Leerverkäufe sind nur eine etwas andere Erdbeerkörbchenwette. Dabei verhält sich der Wertpapierhändler umgekehrt zum „normalen“ Aktienkäufer. Normalerweise will der Aktienkäufer Papiere möglichst billig einkaufen und sie teuer verkaufen. Der Leerverkäufer bietet ein Wertpapier dagegen an, wenn es teuer ist. Er schließt einen Vertrag ab. Geliefert wird die Ware später, möglichst wenn der Kurs im Keller ist. Bei ungedeckten Leerverkäufen besitzt der Verkäufer die Papiere nicht. Bei gedeckten Leerverkäufen leiht er sie aus, gibt sie später zurück und deckt sich mit billigeren Papieren ein. Während bei „normalen“ Aktiengeschäften der Verlust auf den Kaufpreis beschränkt ist – die Aktie kann maximal wertlos werden –, ist das Risiko bei Leerverkäufen unbegrenzt. Niemand weiß, wie teuer ein Papier plötzlich wird.
Im Mai hat die Finanzaufsicht Bafin ungedeckte Leerverkäufe in Deutschland verboten. Zwar ist es zunächst das Risiko des Obsthändlers, wenn es am Wochenende aus Eimern schüttet und sich der Erdbeerkörbchenpreis verdoppelt. Anders sieht es aber aus, wenn der Obsthändler eine Bank ist, die Pleite dieser Bank eine ganze Wirtschaft gefährdet und der Staat sie retten muss. Dann zahlen alle für riskante Leerverkäufe.